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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Gedärme?»
    «Auch für Ihre Gedärme», antwortete er ernst. «Gott übersieht nichts.»
    «Angenommen, das Benzin ginge Ihnen aus. Könnte Gott dann den Wagen auch ohne Benzin weiterlaufen lassen?»
    «Freund, Gott könnte einen Wagen ohne Benzin laufen lassen -für Ihn ist nichts unmöglich, aber das ist nicht Gottes Art. Gott verletzt nie die Naturgesetze. Er wirkt mit ihnen und durch sie. Aber – dies würde Gott tun, wenn wir steckenblieben und ich unbedingt weitermüßte: er würde einen Weg finden, um mich dorthin zu bringen, wohin ich will. Er könnte auch Ihnen helfen, dorthin zu kommen. Aber da Sie blind für seine Güte und Gnade sind, würden Sie nie merken, daß Gott Ihnen geholfen hat.» Er machte eine Pause, damit ich über diese Bemerkung nachdenken konnte. Dann fuhr er fort: «Einst wurde auch ich von einem dringenden Bedürfnis überfallen. Ich ging hinter eine Reihe Büsche und leerte meine Eingeweide aus. Als ich gerade meine Hose wieder hochziehen wollte, erspähte ich direkt auf dem Boden vor mir einen Zehndollarschein. Dieses Geld hatte Gott für mich hingelegt, kein anderer. Er leitete mich zu dem Geld hin, indem er in mir das dringende Bedürfnis erweckte, aus der Hose zu müssen. Ich wußte nicht, warum er gerade mir diese Gunst erzeigt hatte, aber ich kniete nieder und dankte ihm. Als ich heimkam, fand ich meine Frau und zwei von den Kindern fieberkrank im Bett liegen. Mit dem Geld konnte ich Medizin und andere Dinge kaufen, die wir dringend brauchten . . . Da ist die Stadt, Mister. Vielleicht hat Gott auch Ihnen etwas zu zeigen, wenn Sie Ihre Därme und Ihre Blase entleeren. Ich warte auf Sie drüben an der Ecke, ich muß nämlich noch einkaufen . ..»
    Ich lief in die Tankstelle, machte ein bißchen Pipi, pflanzte aber keinen Kaktus. In dem Abort war keine Spur von Gottes Gegenwart zu entdecken. Ich sah nur ein Schild, auf dem die Worte standen: «Helfen Sie bitte mit, diesen Ort rein zu halten.» Ich machte einen Umweg, um meinem Retter nicht mehr zu begegnen, und ging zum nächsten Hotel. Es wurde dunkel, und die Kälte drang mir bis in die Knochen. Der Frühling war noch nicht hierhergedrungen.
    «Wo bin ich?» fragte ich den Geschäftsführer, als ich mich ins Fremdenbuch eintrug. «Ich meine, was für eine Stadt ist dies?»
    «Pittsfield», sagte er.
    «Pittsfield - wo?»
    «Pittsfield in Massachusetts», erwiderte er und musterte mich kalt und mit leicht verächtlicher Miene.
    Am nächsten Morgen stand ich früh und frisch auf. Das war auch nötig, denn es waren weniger Autos zu sehen, und sie fuhren in größeren Zwischenräumen als am Tag zuvor, und niemand schien Lust zu haben, mich mitzunehmen. Ich tippelte los, aber um neun Uhr bekam ich einen Mordshunger. Ich kehrte in einem am Wege liegenden Cafe ein und hatte Glück, denn der Mann, neben den ich zu sitzen kam, fuhr fast bis zur kanadischen Grenze. Er wollte mich gern mitnehmen, sagte er. Er war Literaturprofessor, wie ich entdeckte, als wir eine Strecke zusammen gefahren waren. Ein richtiger Gentleman. Es war ein Vergnügen, ihm zuzuhören. Alles, was in englischer Sprache an Wertvollem geschrieben war, schien er gelesen zu haben. Er sprach ausführlich über Blake, John Donne, Traherne und Laurence Sterne, auch über Browning und Henry Adams. Interessant waren seine Ausführungen über Miltons Areopagitica . Mit anderen Worten, das reinste Kaviarfrühstück.
    «Sie haben wohl selbst schon eine Anzahl Bücher geschrieben?» sagte ich.
    «Nein, nur zwei.» (Es waren Lehrbücher.) «Ich lehre Literatur», setzte er hinzu, «ich mache keine.»
    Unweit der Grenze setzte er mich an einer Tankstelle ab, die einem seiner Bekannten gehörte. Er fuhr nach einem kleinen Ort in der Nähe weiter. «Mein Freund wird dafür sorgen, daß Sie jemand morgen früh mitnimmt. Lernen Sie ihn kennen, er ist ein interessanter Kerl.»
    Nach einer halben Stunde wurde die Tankstelle geschlossen. Sein Freund war Dichter, wie ich bald herausfand. Ich aß mit ihm in einer netten kleinen Wirtschaft zu Abend, dann begleitete er mich zu einem Gasthaus, wo ich die Nacht verbrachte.
    Am Mittag des nächsten Tages war ich in Montreal. Ich mußte ein paar Stunden warten, bis Monas Zug ankam. Es war bitter kalt - fast wie in Rußland, dachte ich. Alles in allem eine düstere Stadt. Ich suchte ein Hotel auf, wärmte mich in der Halle und ging dann zum Bahnhof zurück.
    «Nun, wie gefällt's dir?» fragte Mona, als wir in einem Taxi wegfuhren.
    «Nicht

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