Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
vielleicht der Streiter der Feenkönigin sein mochte, doch dann verwarf er diese Idee. Der Kerl sah dafür einfach zu gewöhnlich aus. Für Morrigan würde sich gewiß ein Riese schlagen oder eine Bestie, der Hörner aus der Stirn wuchsen und die Feuer spucken konnte.
»Wir sind auf einer Queste, die uns in diesen Wald dort fü h ren wird, mein Freund. Ich hoffe, Ihr habt nicht die Absicht, uns den Weg zu verwehren, denn wir haben es eilig.« Volker sprach in einem Tonfall, als rede er mit einem einfältigen Bauern. Gleichzeitig äffte er den Akzent des Fremden nach.
Golo seufzte. Er würde seinen Herren niemals begreifen! Da trieben sie nun wochenlang das Spiel mit dem flüchtenden Kaufmann und dem weißen Ritter, der selbst mit verbundenen Augen ein unbezwingbarer Schwertkämpfer war, um unnöt i gen Kämpfen aus dem Wege zu gehen, und dann provozierte Volker trotz seiner verletzten Schwerthand ein Duell.
Der fremde Ritter lief rot an. Offenbar kostete es ihn große Mühe, die Fassung zu bewahren und gemäß ritterlichem E h renkodex zu antworten. »Da ich als erster an diesen Weg g e kommen bin, beanspruche ich auch das Recht, als erster in di e sen Wald zu reiten. Solltet Ihr das nicht akzeptieren können, fürchte ich, wird es sich nicht vermeiden lassen, diesen kleinen Streit mit einem Lanzengang zu klären.«
Volker verneigte sich. »Es wird mir eine Freude sein, Euch hinter Eurem Pferd im Gras Hegen zu sehen. Und falls die K ä fer dort unten Euch fragen sollten, wer Euch so schnell vom Pferd geholfen hat, so sagt ihnen, daß Ihr Volker von Alzey b e gegnet seid.«
Der Fremde lachte jetzt. »Ich nehme Euer Angebot an, Herr Volker. Solltet Ihr mit der Lanze so gewandt sein wie mit der Zunge, so müßtet Ihr wohl der gefährlichste Kämpe Aquitan i ens sein. Da ich Euren Namen aber noch nie zuvor gehört habe, werde ich mir wohl keine Sorgen über den Ausgang unserer Auseinandersetzung machen müssen. Mein Name übrigens ist Gwalchmai von Kaledonien.«
»Ah, ein Krieger aus dem Volk der Zungenverdreher und Rockträger. Wie ich sehe, seid Ihr noch nicht gerüstet. Darf ich Euch die Dienste meines Knechts anbieten, um Euer Panze r hemd anzulegen?«
»Vielleicht sollten wir zuallererst nach dem Huhn über dem Feuer sehen«, wandte Golo ein. »Wenn Ihr nicht bald den Spieß dreht, dann wird es schwarz wie ein Rabe sein.« Vielleicht würde es sich Volker während eines Essens mit dem Kaledon i er ja noch anders überlegen. Wenn die beiden sich die Köpfe einschlugen, bedeutete das nur jede Menge zusätzliche Arbeit für ihn. Er war schließlich derjenige, der die Scharten aus Vo l kers Schwert wetzen mußte und dem es oblag, das Kettenhemd zu flicken und eine neue Lanze zu schneiden.
»Euer Diener scheint mir ein kluger Mann zu sein, auch wenn er ein wenig vorlaut ist. Gestattet Ihr, daß ich Euch einlade, Herr Volker?«
»Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Euch ein wenig be s ser kennenzulernen. Schließlich ist es ja nichts Persönliches, weswegen wir uns duellieren werden. Es geht lediglich darum zu entscheiden, in welcher Reihenfolge wir in diesen Wald re i ten werden. Gestattet Ihr, daß ich meinen Diener damit beau f trage, sich um das Essen zu kümmern, dann können wir ung e stört plaudern.«
So liebte Golo seinen Herren. Wütend stieg er ab und schnal l te die Kiste mit dem Proviant vom Packpferd. Dann ging er zur Feuerstelle, um sich um das Huhn zu kümmern. Wahrschei n lich würden die beiden ihm nicht einmal einen der mageren Flügel übrig lassen. Obwohl … Er starrte erst auf das Hähnchen und dann auf den Weinschlauch, den er mitgebracht hatte. Wenn er das Fleisch gut mit Salz einrieb und den beiden reic h lich von dem schweren Rotwein servierte, dann würde ihr D u ell vielleicht ausfallen …
Volker fühlte sich nicht besonders wohl, als er sein Pferd b e stieg. Er schwankte leicht, und im Grunde war er überhaupt nicht in kämpferischer Stimmung. Aber nun hatten sie sich auf dieses Duell geeinigt … Dieser Kaledonier war ein ernstzune h mender Gegner. Volker hatte ihn während des Essens unauffä l lig beobachtet. Er bewegte sich gewandt und selbstsicher. Sein Körper war stets in vollkommener Balance. Wahrscheinlich war Gwalchmai ein erstklassiger Schwertkämpfer. Und muskulöser war er obendrein auch noch.
Volker erschien sein Kettenpanzer heute schwerer als sonst. Ob Golo irgend etwas damit angestellt hatte? Der Ritter hob den Kopf und spähte durch die schmalen
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