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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ist, wird man noch immer Eure Lieder kennen. Doch die Geschic h te ist ungerecht. Eure Kunst wird man einem anderen Dichter zuschreiben.«
    Volker zog seine Hand zurück. »Genug. Mehr schlechte Nachrichten möchte ich nicht hören. Ich bin selbst meines Gl ü ckes Schmied, und mein Schicksal steht nirgends geschrieben! Am allerwenigsten in meiner Hand. Zeig mir meine Lebensl i nie!«
    Die Alte fuhr mit ihrem dürren Zeigefinger über seine Hand. »Hier. Euer Leben wird weniger als vierzig Sommer währen.«
    Der Spielmann lachte und zog einen Dolch aus seinem Gürtel. »Sieh her, törichtes Weib. Dies ist die Linie?« Er setzte das Me s ser an und schnitt sich in die Handfläche. »Mein Leben wird jetzt fast doppelt so lange währen.« Dunkles Blut tropfte von seiner Hand.
    Die Frau blickte ihn traurig an. »Niemand kann sein Schicksal ändern, nicht einmal Ihr, Herr Volker.« Sie trat zurück und ging zu Golo. Der Spielmann wischte sein Messer an der Satteldecke sauber und steckte es in den Gürtel zurück. Er leckte das Blut von seiner Hand. Die Wunde war nicht sonderlich tief. Es wü r de nicht einmal eine Narbe zurückbleiben. Er hatte die Alte nur erschrecken wollen. Sie stand jetzt neben dem Jungen und mu s terte dessen Hand. Plötzlich schlug sie danach, machte einen Satz zurück und spuckte vor Golo aus. Das Pferd des Knechtes scheute. Er hatte alle Mühe, es unter Kontrolle zu halten. Mit großen Schritten eilte die Frau auf die Hütte zu.
    Volker zog sich in den Sattel und grinste. Diese Verrückte schien Golo wahrhaft erschreckt zu haben. Der Junge war le i chenblaß.
    »Ich wünschte, ihr wäret in den Sümpfen verreckt!« keifte das Weib. Sie stand jetzt in der Tür ihrer Hütte und drohte ihnen mit erhobener Faust. »Ihr Bastarde! Mögen Morrigans Raben das Fleisch von euren Knochen picken!«
    Volkers Blick fiel auf die beiden grünen Flicken am Saum des grauen Leinenkleides der Frau. Es war das Gewand, das Niamh letzte Nacht getragen hatte! Wer war sie? Sollte etwa … Nein! Die beiden Frauen mußten die Kleider getauscht haben!
    Krachend wurde die Tür der Hütte zugeschlagen. Lanzenbr e cher schnaubte unruhig, und Volker strich dem Hengst über die Mähne. Er wendete das Pferd und ritt an Golos Seite. »Was hat die verrückte Alte zu dir gesagt?«
    Der Junge wirkte völlig verstört. »Sie hat behauptet, der Tod stünde in meinem Schatten, und ich sei der Verderber der Ve r gangenheit. Dann verfluchte sie den Leib meiner Mutter und den Samen meines Vaters.«
    Volker lachte, doch es klang nicht so unbeschwert wie sonst. »Die Einsamkeit hat ihr den Verstand verwirrt. Gib nichts auf ihre Worte. Dein Schicksal steht nicht in den Linien deiner Hand. Allein der Herr, unser Gott, weiß um unsere Zukunft, und nicht irgendeine dahergelaufene Vettel. Laß uns aufbr e chen und diesen unfreundlichen Ort hinter uns lassen.«

    Sie waren drei Stunden geritten, als sie die Wegkreuzung e r reichten, von der Niamh gesprochen hatte. Nur ein paar Schritt weiter hatte ein junger Mann im Schatten einer Weide sein L a ger aufgeschlagen. Er briet ein Huhn über einem Feuer.
    Ganz in der Nähe graste ein großes, graues Schlachtroß. An der Weide lehnten eine Lanze und ein Schwert. Direkt daneben lagen ein Topfhelm und ein großer Reiterschild im Gras. Zwe i fellos handelte es sich bei dem Fremden um einen Ritter. Als er sie sah, richtete er sich am Feuer auf. Der Kerl war ein wahrer Hüne. Er hatte flammendrotes Haar, und so, wie er dreinscha u te, würde es Ä rger geben. Golo kannte sie, die Herren Ritter. Sich zu schlagen war ihnen stets ein Vergnügen, und dieser Kerl sah so aus, als hätte er sich schon lange nicht mehr ve r gnügt. Besorgt blickte er zu Volker. Er würde sicher keinem Streit aus dem Weg gehen, doch mit der Schnittwunde in der Hand war er benachteiligt. Warum hatte sein Herr auch das alte Weib aus der Hütte foppen müssen? Sich mit dem Messer die Lebenslinie zu verlängern …
    Der Fremde war an den Rand des schmalen Weges getreten, der in den Wald führte, in dem der Feenbaum mit dem ve r wunschenen Horn stehen mußte. Vielleicht würde der Spie l mann ja doch einen Streit vermeiden?
    »Wohin führt Euch die Reise? Dies ist eine einsame Gegend. Ihr seid seit zwei Tagen die ersten Menschen, die mir bege g nen.« Der Ritter hatte eine volltönende, angenehme Stimme. Er sprach mit einem eigenartigen Akzent, wie ihn Golo noch nie gehört hatte. Einen Moment lang überlegte der Knecht, ob dies

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