Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
ausgestrecktem Arm auf den Knecht, und hinter ihr erhoben sich Dutzende der Wurze l männchen aus dem Sumpf.
    Golo rannte auf das Labyrinth der Schädelstangen zu. Selbst die Toten lachten ihn aus und klapperten mit ihren bleichen Kiefern. Manche der Schädel schnappten nach ihm. Er hob schützend die Arme vors Gesicht. »Laßt mich in Frieden! Ich will doch nichts von Euch … «
    Wurzeln wuchsen aus der Erde und griffen nach seinen Be i nen. Golo strauchelte und schlug wild mit den Armen um sich. Dann griff er nach seinem Dolch. Er würde sein Leben so teuer wie möglich verkaufen!
    Etwas packte ihn bei den Armen. Er wurde geschüttelt.
    »Ganz ruhig. Das war nur ein Traum. Es ist alles gut.«
    Blinzelnd öffnete er die Augen. Das Gesicht einer alten Frau, gerahmt von strähnigem grauem Haar, beugte sich über ihn. »Niemand wird dir hier etwas tun«, flüsterte sie beruhigend. »Du hast nur zuviel vom Met meiner Enkeltochter getrunken. Das gibt einen schweren Kopf und üble Träume. Setz dich an den Tisch und iß. Ich hab ’ etwas Suppe warm gemacht und werde dir einen Kräutersud kochen, der deine Kopfschmerzen vertreibt.«
    Noch halb in seinen Träumen gefangen, starrte Golo die Alte an. Woher kam sie? Warum war sie in der letzten Nacht nicht in der Hütte gewesen? Mißtrauisch blickte er sich um. Niamh war nicht zu sehen. Auch ihr Hund war verschwunden.
    Unter der Tür schimmerte ein Streifen grauen Morgenlichts. Müde reckte der Knecht seine Glieder. Volker lag dicht neben dem Feuer. Er hatte sich in ein Fell eingerollt. Das Gesicht des Kriegers war entspannt. Er wurde offensichtlich nicht von Al p träumen geplagt. Golo reckte sich, wickelte sich eine Decke um die Hüften und trat an den Tisch, auf den die Alte inzwischen eine Suppenschüssel gestellt hatte. Beim Anblick des Essens wurde ihm übel. Fischsuppe! Das war das letzte, was er jetzt brauchen konnte.
    »Geht es dir nicht gut?« Das alte Weib hielt ihm einen Becher mit einer duftenden Flüssigkeit hin.
    Golo biß die Zähne zusammen. »Entschuldige, aber ich gla u be, ich muß … « Er stürzte zur Tür.

5. KAPITEL

    olker verneigte sich vor der Alten. »Habt Dank für das Frühstück und den Proviant, den Ihr uns übe r lassen habt. Seid Ihr sicher, daß Eure Enkeltochter nicht doch bald aus den Sümpfen zurückkehren wird?« Das Weib schüttelte den Kopf. »Sie kommt immer erst in der Abenddämmerung, wenn sie Kräuter sucht. Ich werde ihr einen Gruß von Euch ausrichten, edle Ri t ter.«
    »Nun … « Der Spielmann zögerte. Dann griff er nach der Geldkatze an seinem Gürtel. »Sie hat meinem Diener das Leben gerettet. Seid so gut und gebt ihr das hier als Zeichen meines Dankes. Das ist alles Geld, das ich besitze.«
    Die Alte schüttelte erneut den Kopf. »Niamh wird Euer Silber nicht annehmen. Was sie für Euch tat, geschah nicht um einer Belohnung willen. Wenn Ihr Euch wirklich als dankbar erwe i sen wollt, dann treibt das Packpferd in die Sümpfe.«
    Volker seufzte. Er musterte das alte Weib eindringlich. Die Frau hatte dieselben graublauen Augen wie ihre Enkelin. Man sah ihr deutlich an, daß sie mit Niamh verwandt war. Ihr G e sicht war von feinen Falten durchfurcht, doch ihre Augen glänzten und waren voll jugendlicher Kraft. Obwohl sie wohl mindestens schon sechzig Sommer erlebt hatte, hielt sie sich noch völlig gerade. »Ich habe Niamh erklärt, warum ich nicht auf das Pferd verzichten kann. Ohne ein Packpferd müßten wir unsere Reise abbrechen und zur nächsten Stadt reiten.«
    »Vielleicht wäre es auch das klügste.«
    »Das mögt Ihr so sehen«, entgegnete der Spielmann gereizt. »Doch gestattet, daß ich anderer Meinung bin.« Er wollte sich schon umdrehen und zu den Pferden gehen, als die Alte ihn am Arm festhielt.
    »Laßt mich Eure Hand sehen, Herr Ritter. Ich möchte wissen, ob Ihr es seid?«
    »Wer soll ich sein?«
    Sie lächelte. »Vielleicht der Auserwählte der Hohen Königin. Dies ist doch wohl das Schicksal, das Ihr sucht.« Sie nahm seine Hand und fuhr mit den Fingern darüber. »Eure Lebenslinie ist sehr kurz, Herr. Ihr werdet den Tod finden, den Ihr Euch wünscht, doch das Leben, von dem Ihr träumt, wird Euch stets verwehrt bleiben. Ihr seid ein Wanderer, und ganz gleich, w o hin Ihr Euch wendet, das Schicksal wird Euch wiedereinholen. Ihr werdet nicht erleben, daß Eure eigenen Kinder auf Euren Knien sitzen, und doch werdet Ihr weiterleben. Auch wenn das Reich der Burgunden längst nur noch eine ferne Erinnerung

Weitere Kostenlose Bücher