Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
Sehschlitze seines Topfhelms. Er konnte nur mit Mühe einen Teil des Waldweges sehen und den Kaledonier, der keine fünfzehn Schritt entfernt mit eingelegter Lanze auf das Zeichen zum Angriff wartete.
»Meinen Speer, Knappe!« Volker streckte die Rechte aus und griff nach der Waffe. Dann preßte er die Linke mit dem Schild eng an den Körper und achtete darauf, den Schild leicht schräg zu halten, damit die Lanze des Gegners gut abgleiten konnte.
Wieder blickte er zu dem Kaledonier hinüber. Sein Grauer tänzelte unruhig. Gwalchmai hatte einen grünen Waffenrock angelegt und war mit einem grünen Schild gewappnet, auf den ein weißer Falke aufgemalt war. »Seid Ihr bereit, Herr Gwaldm … Gwailch … ähm, mein Freund?« Dieser Name! Wie sehr mußte eine Mutter ihren Sohn hassen, um ihm einen N a men zu geben, den kein aufrechter Christenmensch richtig au s zusprechen vermochte.
Der Kaledonier hob leicht den Schild und nickte.
»Dann los!« Volker legte die Lanze ein und gab seinem Hengst die Sporen. Mit donnernden Hufen galoppierten die beiden schweren Pferd aufeinander zu. Der Spielmann zielte auf die rechte Hälfte von Gwalchmais Schild. Wenn der Kal e donier nicht aufpaßte, würde es ihn aus den Sattel reißen.
Krachend zersplitterten die beiden Lanzen. Volker erhielt e i nen Schlag wie ein Pferdetritt. Etwas prallte mit dumpfem Klang gegen seinen Helm. Vor ihm tauchte der Wald auf. Er riß den Hengst herum und schwenkte den Schildarm, der vom Aufschlag der gegnerischen Lanze wie betäubt war. Hastig wendete er den Kopf. Der Kaledonier war nirgends zu sehen. Im Gras lag er jedenfalls nicht. Verfluchter Helm! Wenn er nur eine bessere Sicht hätte. Volker warf den Stumpf seiner zerspli t terten Lanze zur Seite, hängte den Schild an das Sattelhorn und hob mit beiden Händen den schweren Topfhelm.
»Ich fürchte, das war ein eindeutiges Unentschieden«, ertönte seitlich von ihm die Stimme Gwalchmais. Der Kaledonier hielt seinerseits eine zersplitterte Lanze in der Hand. »Ihr sitzt recht fest im Sattel, Herr Volker. Die meisten meiner Gegner haben sich nicht so gut gehalten wie Ihr. Es wird mir eine Freude sein, mit Euch die Klinge zu kreuzen.«
Der Spielmann nickte. Die Wirkung des Weins war jetzt ve r flogen. Sein Haar klebte ihm schweißnaß an den Schläfen. Er schwang sich aus dem Sattel und winkte Golo, ihm das Schwert zu bringen. Dann ballte er die Rechte zur Faust und öffnete sie langsam wieder. Der Verband um seine Hand hatte sich rot g e färbt. Hätte er nur auf dieses dumme Spiel mit der alten Wah r sagerin verzichtet! Er konnte sein Schwert nicht so fest halten, wie es gegen einen solchen Kämpfer notwendig gewesen wäre! »Bring mir den Bastard!« rief er Golo zu. Er konnte in diesem Duell nur durch überlegene Technik bestehen.
Der Knecht eilte zum Packpferd und schnallte das lange Schwert vom Lastsattel. Der Griff der Waffe war so gearbeitet, daß man sie mit zwei Händen führen konnte. Zugleich war das Bastardschwert aber so gut ausgewogen, daß man auch ei n händig mit ihm kämpfen konnte.
»Ihr gestattet, daß ich lieber mit Breitschwert und Schild kämpfe?« Gwalchmai hatte seine Waffen bereits genommen und stand breitbeinig mitten auf dem Weg, der zum Wald füh r te.
»Wenn Ihr glaubt, so der Niederlage entgehen zu können!« Volker wünschte, er wäre nur halb so zuversichtlich, wie er tat. Golo reichte ihm den Bastard. Der Spielmann wog das große Schwert prüfend in der Rechten. Ein stechender Schmerz fuhr durch die verletzte Hand. Er hatte keine Wahl, er mußte die Waffe zweihändig führen. Seine Linke müßte die Hauptlast tragen.
»Wollt Ihr den Kampf nicht aufgeben, Herr?« flüsterte Golo leise. »Dieser Kaledonier scheint mir ein geübter Schlächter zu sein. Mit Eurer Verletzung werdet Ihr einen schweren Stand gegen ihn haben.«
Volker schüttelte den Kopf. »Ich bin Ritter. Ich kann jetzt nicht kneifen. Das ist das Vorrecht der Knappen und Knechte. Ich bin dazu erzogen, auch dann meine Sache nicht aufzugeben, wenn es keine Aussicht auf Erfolg gibt. Weißt du, Junge, das ist der Stoff, aus dem die Dichter Heldenepen schreiben. Setz mir den Helm auf.«
Innerlich fluchte Volker. Natürlich hätte er sich gerne mit Gwalchmai geeinigt, doch dazu war es jetzt zu spät. Aufzug e ben, hieße, das Gesicht zu verlieren. Dann würde er schon li e ber ein paar Prellungen einstecken. Schließlich kämpften sie nicht auf Leben und Tod.
Der schwere Helm senkte sich über seinen
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