Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
die Erde g e rammt, und die schwarze Königin spießte das Haupt des Kal e doniers darauf. Dann wandte sie sich zu ihren Männern um. »Hebt ihn auf den Schild des Königs und legt ihm dieses Schwert in seine kalte Hand. Die Morrigan hat ihm verspr o chen, daß er die Insignien des Herrschers tragen würde, und Morrigan bricht niemals ihr Wort!«
Volker war wie gelähmt vor Entsetzen. Unfähig, sich zu rü h ren, beobachtete er aus seinem Versteck, wie sich die blutdür s tige Königin und ihre Krieger zu den Booten zurückzogen. Erst als das leise Platschen der Ruder verklungen war, trat er auf die Lichtung. Der Ausdruck ungläubigen Entsetzens spiegelte sich noch immer im Gesicht Gwalchmais. Volker strich dem Toten über die Augenlider. »Ich werde dich rächen«, murmelte er le i se. »Die Morrigan wird für dich büßen.« Er strich dem Ritter das strähnige Haar aus der Stirn und ging dann zum Ufer. Dort schleifte er den Leichnam des Bogenschützen zu dem flachen Nachen. Es wäre besser, wenn er den Mann verschwinden la s sen würde. Gewiß dauerte es nicht lange, bis seine Kameraden ihn vermißten.
Keuchend hievte er den Toten in das Boot. »Auf dem Grund des Moores wird dich auch deine verfluchte Königin nicht mehr finden«, flüsterte der Spielmann verbittert. Die Wunde in seiner Brust schmerzte, und dunkles Blut sickerte durch die Panzerringe seines Kettenhemdes. Ihm war schwindelig. Er mußte ruhen, doch hier am Ufer konnte er nicht bleiben.
Volker blickte an seinem schmutzigweißen Waffenrock hinab. Wenn sich der Nebel hob, würde man ihn damit schon von weitem erkennen können. Er mußte das Kleidungsstück lo s werden. Doch er konnte den linken Arm nicht mehr höher als bis zur Brust heben. Er zog das Messer aus seinem Waffengurt und trennte die Nähte über den Schultern auf. Dann zog er das Kleidungsstück zum Gürtel hinunter und streifte es wie einen Rock ab. Er schnitt zwei breite Streifen vom Saum, die er später brauchen würde, um seine Wunde zu verbinden. Den Rest warf er ans Ufer, damit Golo wußte, an welcher Stelle er in den Sumpf gestakt war. Vielleicht würde sein Knecht ihm ja folgen? Volker lächelte. Nein, mit dem abergläubischen Kerl sollte er lieber nicht rechnen.
Schwankend erhob sich der Ritter und griff nach der Stange, die neben ihm im Boot lag. Noch einmal blickte er zu dem kle i nen Wald, der Gwalchmai zum Verhängnis geworden war. Dann stieß er sich vom Ufer ab und steuerte auf jene Stelle zu, wo das Boot der Morrigan im Nebel verschwunden war.
7. KAPITEL
ls das seltsame Heulen aus den Sümpfen erklang, war Golo tief unter einen Busch gekrochen. Sol l ten die beiden Ritter ihren Streit mit den Feen alleine ausfechten! Er hatte damit nichts zu tun, und wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hä t te er auch niemals diesen verfluchten Wald betreten.
Mit klopfendem Herzen hatte der Knecht auf den Kampflärm gelauscht, und selbst nachdem das Klingen der Schwerter schon lange verstummt war, hatte er es nicht gewagt, sein Ve r steck zu verlassen. Erst als ganz in der Nähe Lanzenbrecher vorbeitrottete und die wenigen grünen Triebe von den Bäumen zupfte, kroch Golo unter den Büschen hervor. Der Hengst wir k te erfreut, als er ihn sah. Er schnaubte und kam auf ihn zu, um seinen großen Kopf an seiner Brust zu reiben. Der Knecht tä t schelte ihm über den Hals. »Jetzt ist der Spuk vorbei, nicht wahr … Willst du mit mir zu der Lichtung kommen?«
Der Schimmel spitzte die Ohren, und Golo war sich sicher, daß der große Hengst ihn genau verstanden hatte. Er griff nach Lanzenbrechers Zügeln und machte sich auf den Weg. Es da u erte eine Weile, bis er den Trophäenbaum wiederfand. Fast schien es ihm, als wolle der Wald ihm jene Wege verbergen, die dorthin führten, wo vor kurzem erst der Zweikampf stattg e funden hatte. Golo hatte das Gefühl, in jedem Busch und jedem Baum die Zauberkraft der Feen zu spüren. Was wohl aus Vo l ker geworden sein mochte? Ob der Ritter sich auch im G e strüpp versteckt hatte? Wohl kaum …
Ziellos streifte Golo über die Lichtung und betrachtete die Köpfe auf den Pfählen. Manche der Schädel schienen wissend zu grinsen. Schließlich fand der Knecht, wonach er gesucht ha t te. Lange starrte er in Gwalchmais blasses Antlitz. »Du dummer Kerl! Du hattest doch alles, was man braucht, um glücklich zu sein … Wenn ich, so wie du, von edler Geburt gewesen wäre, hätte mich das Schicksal bestimmt nicht in diesen verfluchten Wald geführt. Ein
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