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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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stehen könnte, hatte Golo noch nie gedacht. Sicher würde er auch ohne Volker den Weg zurück nach Burgund finden, doch es würde ein langer und einsamer Ritt werden.
    Golo erinnerte sich an die vielen Abende, an denen er seinem Herren beim Lautenspiel gelauscht hatte. Wenn Volker es d a rauf anlegte, konnte er wirklich nett sein. Manches Mal hatten sie gemeinsam gelacht und … Das war vergangen! Oft genug hatte er für den feinen Ritter auch die Drecksarbeit erledigen müssen. Er sollte besser die guten Seiten an seiner jetzigen Lage sehen, statt der Vergangenheit nachzutrauern. Wenn es ihm gelang, auch die anderen Tiere noch aufzutreiben, wäre er sto l zer Besitzer von vier Pferden! Das hieß, er wäre ein reicher Mann! Niemand könnte ihm sein Anrecht streitig machen, schließlich waren die wirklichen Besitzer tot. Obwohl … Nach Burgund zurückzukehren wäre wahrscheinlich nicht klug. Vo l kers Vater würde gewiß viele Fragen über das Ende seines Sohnes stellen, und zu guter Letzt würde er die Pferde als E i gentum seiner Familie zurückfordern.
    Golo blieb stehen und blickte den großen Hengst an. Allein für das Silber, das ihm Lanzenbrecher einbringen würde, kön n te er sich schon ein kleines Bauernhaus und genügend Land dazu kaufen. »Wir werden sicher einen neuen Herrn für dich finden, nicht wahr, mein Alter. Ein Schlachtroß wie dich findet man schließlich nicht alle Tage!«
    Lanzenbrecher schnaubte. Ob ihn der Hengst verstanden ha t te? »Bei einem neuen Herrn wirst du es gut haben. Dort kannst du gewiß den halben Sommer mit ein paar hübschen Stuten auf der Weide verbringen. Es ist doch eine Schande, ein Pferd wie dich in den Sumpf zu schleppen. Du bist für Schlachtfelder g e schaffen und für prächtige Turnierplätze. Wer, außer einem Narren, konnte auf die Idee kommen, dich hier in diese Schlammlöcher zu zerren?«
    Golo hatte den Eindruck, daß ihn das große Pferd mißbill i gend musterte.

    Volker fühlte sich mit jedem Atemzug schwächer. Eine eisige Kälte kroch aus seinen Füßen die Beine hinauf. Längst hatte er aufgegeben, den Nachen mit der Stange durch das Moor zu staken. Er ließ sich mit der schwachen Strömung treiben und betete. Die Wunde in seiner Brust blutete nicht mehr, doch ha t te er nicht den Mut und die Kraft, einen Versuch zu unterne h men, die Pfeilspitze aus seinem Fleisch zu reißen. Er wußte, daß sie ihn langsam töten würde, wenn er nichts unternahm, und doch … Er wollte ein wenig schlafen, danach würde er stärker sein.
    Matt hob er den Kopf und blickte zum Bug. Am Horizont e r streckte sich eine hohe, weiße Mauer. War das der Palast der Morrigan? Irgend etwas stimmte mit der Mauer nicht … Ein unangenehmes Prickeln lief durch seine Waden. Die Kälte fraß sich die Oberschenkel hinauf. Ihm klapperten die Zähne. Eine innere Stimme warnte ihn einzuschlafen. Er fürchtete, daß er nicht mehr erwachen würde. Volker biß sich auf die Lippen. Lange würde er diesen Kampf nicht führen können. Immer wieder fielen ihm die Augen zu.
    Stetig glitt er der weißen Wand entgegen. Sie füllte jetzt fast den ganzen Horizont. Einen Moment lang hatte er die groteske Vorstellung, daß nicht sein Boot, sondern die Mauer sich b e wegte, daß sie über das Wasser hinweg auf ihn zuglitt, um ihn zu verschlingen. War dies das Ende? Sah so der Tod aus? Wahnvorstellungen … Hatte er sich geirrt? Gab es wirklich Feen und griffen sie nun mit all ihrer Zaubermacht nach seiner Seele? Leise murmelte er ein Vaterunser. Das war ein Kampf, der nicht mit Waffen entschieden würde. Wieder und wieder flüsterte Volker das Gebet …
    Etwas Warmes, Feuchtes streifte seine Wange. Erschrocken schlug er die Augen auf. Er war eingeschlafen! Um ihn herum trieben dichte, weiße Nebelschwaden. Sie waren warm. Die Kälte war aus seinen Beinen gewichen. Volker hob die Hand und streckte sie über den Rand des flachen Nachens. Auch das Wasser war warm. Wohin mochte er getrieben sein, oder war er vielleicht … Er blickte an sich hinab. Noch immer ragte der a b gebrochene Pfeilschaft aus seiner Brust. Sein Kettenhemd war von Blut und Schmutz verkrustet. Nein, so würde er nicht ins Himmelreich auffahren. Daß er nach seinem Tod irgendwo a n ders hingelangen konnte, war völlig unmöglich. Er war stets ein treuer und aufrechter Diener Gottes gewesen! Also mußte er noch leben.
    Sein Boot glitt noch immer mit einer sanften Strömung. Ganz in der Nähe ertönte ein beunruhigendes Plätschern, so als

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