Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
stockte für einen Herzschlag der Atem. Plötzlich hatte er das Gefühl, daß ihm jeder der hohen Herren ansehen mußte, daß er nicht wirklich von Stand war. »Mein Herr … «
»Nun, was ist mit Seinem Herrn?« Die Stimme des Königs war tief und klang machtbewußt. Es war, als wollten ihn die Worte zu Boden drücken. Golo spürte, wie ihm die Knie zitte r ten.
»Mein Herr, Gunther von Burgund … Er wird entsetzt sein … Ich meine, er ist mit Sicherheit erzürnt … wenn er … wenn ich ihm Kunde vom Schicksal seiner Nichte bringe … und von e i nem seiner liebsten Ritter.«
»Will Er mir drohen?« König Eurich beugte sich vor, und G o lo wäre am liebsten im Boden versunken, um dem Blick des Herrschers zu entkommen. »Was sollte mich daran hindern, Ihn auf immer in den Kerkern dieser Stadt verschwinden zu lassen? Wenn Sein König nicht um das Schicksal der Verlor e nen weiß, so wird er mir auch nicht zürnen.«
»Mit Verlaub, Eure Majestät«, mischte sich der Bischof ein. »Jeder weiß um Eure edle und ritterliche Gesinnung. Sicher hä t tet Ihr die Macht, diesen jungen und in seinen Worten unb e dachten Edelmann in den Kerker zu werfen, doch widerspräche das nicht dem Geist, der an Eurem Hofe herrscht? Die Burgu n den sind Opfer einer Bande von heidnischen Aufrührern g e worden. Wollt Ihr dieses Übel nicht mit Feuer und Schwert ausmerzen und so der Welt beweisen, daß nichts, was Euren Zorn erweckt, von Bestand sein kann?«
»Ihr versteht es, die Worte wohl zu setzen, Jehan de Thenac. Doch nun sagt mir frei heraus, was Ihr von mir wollt. Ich bin des Wortgeplänkels mit Euch müde, und meinen Gästen wird es sicherlich nicht anders gehen.«
Der Bischof fuhr sich unruhig mit der Zunge über die Lippen. »Nun, Herr, ich werde so offen sprechen, wie Ihr es wünscht. Ich kann es nicht länger ertragen, mitanzusehen, wie Eure Herrschaft in den Sümpfen verhöhnt wird. Die Bauern glauben, daß die Macht der alten Götter wieder erstarkt und daß eine Königin aus alter Zeit zurückgekehrt sei, die sie für die rech t mäßige Herrin Aquitaniens halten. Sie sind überzeugt, daß ke i ner Eurer Ritter die Streiter dieser Königin bezwingen kann, und sie schlagen den Aufrechten, die Euren Namen nicht ve r leugnen wollen, die Köpfe ab, um sie nach Heidenbrauch zu Schädelstätten zu tragen. Die Brut des Bösen hat in den Süm p fen Unterschlupf gefunden, und ich schwöre bei Gott, daß ich nicht ruhen werde, bevor dieses Übel ausgerottet ist. Seit Jahren herrscht Frieden in Eurem Reich, doch nun ist es an der Zeit, daß Eure Ritter zu den Waffen greifen, denn was heute nur ein Funke ist, der in den Sümpfen schwelt, mag morgen schon zu einem verzehrenden Feuer werden, das ganz Aquitanien in Flammen setzt. Ich bitte Euch, mein König, gestattet mir, ein Heer auszuheben und die Ritterschaft Eures Reiches zu den Waffen zu rufen, um den Aufruhr zu beenden und den Tod eines der Unseren, des Barons Rollo von Marans, zu rächen.«
Der König runzelte die Stirn. Einen Moment lang schien es, als hätten die Worte des Bischofs ihn verärgert, doch dann spielte ein zynisches Lächeln um die Lippen des Herrschers. »Ihr denkt also, daß es eine Königin in den Sümpfen gibt, die mir mein Anrecht auf diesen Thron abspricht. Nun, mein Freund, ich werde Euch erlauben, den Heerbann auszurufen.« Er wandte sich an die anderen Adligen im Festsaal. »Das Frü h jahr hat begonnen. Eine gute Zeit für einen Kriegszug! Ve r sammelt Euch bis zum Pfingstfest in Saintes. Jehan de Thenac, ich ernenne Euch hiermit zu meinem Heerführer. Wenn Ihr ein Königreich in den Sümpfen findet, so mögt Ihr die Baronie M a rans und das Sumpfland Euren Ländereien einverleiben. Die Beute der Königsstadt aber soll meinen Edlen und der Krone zufallen. Steckt hinter all dem, was Ihr hier vorgetragen habt, aber nur eine Räuberbande und macht Ihr meinem Namen Schande, indem Ihr mit einer Armee auszieht, um ein paar Halsabschneidern das Handwerk zu legen, so fordere ich Eure Grafschaft als Wiedergutmachung, und Ihr sollt jedem meiner Ritter, der Euch begleitete, hundert Goldstücke zahlen, um ihn zu entschädigen.«
Golo konnte beobachten, wie alle Farbe aus dem Gesicht des Bischofs wich. Doch verzog Jehan keine Miene. Schließlich kniete er nieder und neigte demütig sein Haupt. »Ich unterwe r fe mich Euren Forderungen, mein König. Mein Herz und mein Schwert gehören Euch.«
»Jehan von Thenac, Ihr knietet nieder als der Graf von Niort und
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