Nibelungen 04 - Das Nachtvolk
Bischof von Saintes, erhebt Euch nun als der Herzog der Sumpflande. Dieser Titel sei Euch bis zum Weihnachtsfest g e währt, damit Ihr meine Grafen befehligen könnt, ohne daß Streit um das Kommando bei diesem Feldzug aufkommt. Möge Gott Euch auf Eurem Weg zur Seite stehen.«
10. Kapitel
er bist du, Fremder? Ich habe die Knochen und die Runen nach dir befragt, habe der Stimme des Waldes gelauscht und dem Flü s tern des Meeres, doch voller Widersprüche ist, was ich über dich erfahren habe. Wegen einer Frau hat man dich verstoßen, und eine Frau war es, die du in diesem Land gesucht hast. Du betest den toten Zimmermann s sohn als deinen Gott an, und doch war dein Lehrer ein Mann, der um die wahren Götter weiß. Im Fieber hast du manchmal Verse von Liedern und Epen dahergesagt, so als seiest du ein Barde, doch deine rechte Hand trägt die Schwielen eines Kri e gers, und an deiner Seite lag ein Schwert, als ich dich gefunden habe. Erkläre mir diese Rätsel! Wie bist du in das Grab der t o ten Helden gelangt? Es gibt ke i nen Pfad, der durch die Sümpfe zu dieser Insel führt, und ich habe kein Boot finden können, mit dem du an dieses Ufer g e langen konntest. Fast scheint es, als hätten Graberde und Dunkelheit dich gezeugt und dir die G e stalt eines Mannes gegeben, damit du bereit bist, die Nachfolge der alten Könige anzutr e ten.«
»Das sind viele Fragen, schöne Herrin.« Volker legte den Kopf in den Nacken und blickte zum Himmel. Es war das erste Mal, daß er den Grabhügel verlassen hatte. Gestützt auf die Heilerin war er bis zum Ufer der kleinen Insel gelangt. Er saß auf einem umgestürzten Stein, der mit Spiralmustern geschmückt war. Nur ein paar Schritt entfernt brach eine heiße Quelle aus dem Fels hervor. Ein schwacher Westwind spielte mit den dichten Dampfschwaden, die aus dem Wasser aufstiegen, und trieb sie in den Sumpf hinaus.
Frisches Gras wuchs zwischen den Felsen, und dicht hinter der Quelle erhob sich ein blühender Ginsterbusch. Während der Zeit, die er in der Grabhöhle verbracht hatte, war der Frü h ling gekommen.
»Nun, willst du mir nicht antworten?« Die Fee blickte ihn fo r schend an. Bislang hatte sie ihm keine Fragen gestellt. Sie hatten kaum miteinander gesprochen. Manchmal jedoch, wenn sie glaubte, daß er schlief, war sie vor die Höhle getreten und hatte auf ihrer Harfe gespielt. Volker lauschte gerne ihrer Stimme. Sie war von kristallener Klarheit, ein wenig zu melancholisch vie l leicht, doch das mochte auch an den Liedern liegen, die sie sang. Nicht ein einziges Mal hatte er sie eine fröhliche Melodie spielen hören.
Die Wahrheit konnte er seiner unbekannten Retterin nicht s a gen. Sie würde ihn an die Ritter der Morrigan ausliefern mü s sen, wenn sie erfuhr, mit welcher Absicht er in die Sümpfe g e kommen war. Er lächelte. Eine schöne Geschichte zu erfinden würde ihm nicht schwerfallen. »So wie Areion, der einst am Hofe des Königs Periandros lebte, bin ich ein Barde, der die Menschen mit seinem Spiel erfreut. Ich vermag zwar nicht wie Orpheus die wilden Tiere mit meiner Stimme in meinen Bann zu schlagen, doch gibt es am Rhein viele Fürstenhöfe, an denen ich ein gerngesehener Gast bin. Selbst an die Tafel von Königen war ich schon geladen, und sie haben mir meine Kunstfertigkeit mit Gold entlohnt. Doch mein Glück war mir zu Kopf gesti e gen. Ich versuchte mich in Geschäften, die ich nicht erlernt ha t te. So fuhr ich ins Land der Mauren und beschloß, dort für mein Gold kostbares Handelsgut zu kaufen, um meinen Reichtum noch zu vermehren. Weihrauch aus Arabia Felix habe ich dort erworben und lauteres Silber aus dem fernen Baktria. Auch bunte Seide aus einem Königreich, das so weit im Osten liegt, daß ein Mann auf einem Pferd wohl ein ganzes Jahr lang reiten müßte, um es zu erreichen. Wäre ich mit diesen Gütern nach Worms gelangt, so hätte mein Reichtum wohl den des Königs übertroffen, doch es war mein Schicksal zu scheitern, so wie einst auch Areion scheiterte. Wir hatten die Säulen des Herakles passiert, als unser Schiff in einen schrecklichen Sturm geriet und weit nach Westen abgetrieben wurde.« Volker seufzte und legte mit Bedacht eine kleine Pause ein. Für einen Moment lang war er plötzlich unsicher, ob er mit seiner Erzählung vielleicht zu sehr übertrieben hatte. Aus den Augenwinkeln betrachtete er seine Retterin. Gebannt hing sie an seinen Lippen. Sie schien Geschichten aus fernen Ländern zu mögen. Nun, die konnte sie
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