Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
haben.
    »Es muß vor der Küste von Kernow gewesen sein, daß herul i sche Piraten mein Schiff angriffen. Sie erschlugen meine Mä n ner und warfen ihre Leichen in die See. Auch ich wurde in dem Kampf von einem Pfeil verwundet, doch schonten sie mein L e ben, als ich erklärte, daß ich ein berühmter Barde sei und daß sie Lösegeld für mich erhalten könnten. Ich mußte wilde Kriegslieder für sie singen, um sie zu unterhalten. Zugleich mit ihrem erfolgreichen Raubzug schien sie das Glück verlassen zu haben. Der Sturm war abgeflaut, doch trieb uns ein ungünstiger Westwind immer weiter von ihrem Versteck an der Küste von Dyfneint ab. Meine Wunde entzündete sich, und ich begann zu stinken wie ein Leichnam. Ich konnte hören, wie sie flüsterten, daß sie mich ins Meer werfen wollten. Doch einen Barden zu töten heißt, den Zorn der alten Götter herauszufordern. Schlie ß lich beschlossen sie, mich in einem kleinen Boot auszusetzen und mein Schicksal den Wellen zu überlassen. So wurde ich an diese Küste getrieben. Ich hatte schweres Fieber und weiß nicht mehr, wie ich hierher gelangt bin. Ich erinnere mich, wie mein Boot in dichten Nebel getrieben wurde und wie sein Rumpf über Felsen schrammte. Ich stieg ins Wasser und watete zu den Felsen, die ich als dunkle Schatten erkennen konnte. Dort suc h te ich Schutz vor dem eisigen Regen und glaubte, eine Höhle gefunden zu haben. So gelangte ich an jenen Ort, an dem ihr mich gefunden habt, Herrin.«
    Die Fremde legte den Kopf schief. Einen Herzschlag lang fürchtete Volker, er könne sich durch irgendeine Kleinigkeit als Lügner entlarvt haben, doch dann nickte die Fee. »Die Sümpfe münden ins Meer. Die Flut treibt das Seewasser bis weit in die Marschen hinein. So muß dein Boot hierhergelangt sein, und da du versäumt hast, es aufs Land zu ziehen, wurde es abgetri e ben.«
    Der Spielmann nickte erleichtert. »Ja, so muß es gewesen sein. Ich verdanke Euch mein Leben. Man nennt mich Volker von Alzey. Mein Vater ist ein reicher Adliger, und so kommt es, daß meine Hand die Schwielen eines Kriegers trägt. Von Kinde s beinen an wurde ich im Gebrauch der Waffen unterrichtet, doch abends, wenn mein Vater mit seinen Freunden in der Ha l le unserer Burg feierte, lehrte meine Mutter mich das Laute n spiel. Daher rührt es, daß zwei Herzen in meiner Brust schlagen und ich oft im Zweifel bin, in welche Welt ich gehöre. Zu den fahrenden Sängern oder unter die Ritterschaft meines Königs. So will ich meine Laute und mein Schwert in Eure Dienste ste l len, schöne Herrin, um meine Schuld bei Euch zu begleichen. Doch sagt, wie ist Euer Name? Ich möchte ein Lied für Euch dichten und von Eurer Schönheit und Eurem Edelmut singen. In meinen Fieberträumen glaubte ich manchmal, Harfenklang zu hören. Seid Ihr eine Bardin?«
    Sie schüttelte den Kopf. Plötzlich wirkte sie traurig, so als h a be er mit seinen Worten an eine alte Wunde gerührt. »Ich bin die wiedergeborene Göttin. Man nennt mich Neman, die T o tenklägerin. Mit meinen Schwestern herrsche ich über Thirfo Thuinn, das versunkene Land. Ich komme hierher, um den T o ten zu singen, und du bist der erste Mann, der diese Grabhö h len lebend betreten hat. Meine Schwester Macha würde deinen Kopf nehmen, wenn sie von dir wüßte. Darum hüte dich, wenn ich nicht bei dir bin. Manchmal kommt auch sie zur Insel, doch sie betritt niemals das Grab. Sie ist eine große Kriegerin und würde dich erschlagen, wenn sie dich hier entdeckte. Doch du mußt leben! Es scheint, als seist du der Mann, den uns die Alten verheißen haben. Der Sänger, der sich aus den Gräbern der t o ten Helden erhebt.«
    Volker nickte. Er hatte das unbestimmte Gefühl, daß es besser sei, ihr nicht zu widersprechen. Auch wenn sie seltsam war und sich für eine Göttin hielt, hatte sie zweifellos Macht. Vielleicht war sie sogar eine Magierin. Nur zu deutlich konnte er sich e r innern, wie sie den Bannspruch auf den Trunk legte, der das Gift in seinem Leib besiegt hatte. Sie zu reizen wäre gefährlich. Er mußte auf sie eingehen … Letzten Endes war auch sie nur eine Frau. Wenn er es richtig anfing, würde sie sich in ihn ve r lieben, und das wäre der Schlüssel zu seiner Flucht. Sie konnte ihn zu Gunbrid führen. Doch zunächst müßte er seine Kräfte wiedergewinnen. Die Krankheit hatte das Fleisch von seinen Knochen geschmolzen. Er war hager und kraftlos geworden. Ohne ihre Hilfe würde er nicht einmal bis zur Grabhöhle z u rückkehren

Weitere Kostenlose Bücher