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Nibelungen 04 - Das Nachtvolk

Titel: Nibelungen 04 - Das Nachtvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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können.
    Neman hatte sich auf einem Stein nahe der heißen Quelle ni e dergelassen. Gedankenverloren blickte sie in den wirbelnden Nebel, der über das Wasser glitt. Sie war schön. Nicht groß g e wachsen und von zierlicher Statur. Das Gesicht feingeschnitten, vielleicht ein wenig zu länglich, doch unterstrich das ihre m e lancholische Ausstrahlung. Ihre schlanken Finger glitten über die Saiten der Harfe, und sie spielte eine Melodie voller Schmerz und Sehnsucht.

    Mit einem wuchtigen Hieb schlug der Bischof Golo das Schwert aus der Hand. »Zum Teufel mit dir!« fluchte er und riß sich den Helm vom Kopf. »Du hältst dein Schwert immer noch wie eine Mistforke. Aus dir wird nie ein Ritter werden, du Bauerntra m pel.« Ärgerlich winkte er einem Diener, der dicht bei der Tür stand, und ließ sich einen Becher voller Wein bringen.
    »Schon am Königshof hättest du dich beinahe verraten. Und sieh mir gefälligst in die Augen. In unserer Geschichte bist du ein Mann von Stand und kein Pferdedieb. Ein Adliger blickt seinem Gegenüber in die Augen. Er ist zu stolz, um vor jema n dem den Blick zu senken, und sei es selbst der Leibhaftige! Ist das klar?«
    Golo nickte stumm. Sein Leben hatte sich von Grund auf g e ändert in den letzten Wochen. Seit sie den Hof in Martinopolis verlassen hatten, verfolgte der Bischof das Ziel, aus ihm einen Ritter zu machen. Jeden Morgen schickte Jehan ihn mit zwei seiner Vertrauten aus der Stadt. Die beiden sollten ihm das Re i ten beibringen, weil er sich angeblich wie ein nasser Sack im Sattel hielt. Auch unterwiesen sie ihn im Kampf zu Pferde. Ihr Erfolg war allerdings alles andere als überragend und ihre Lehrmethoden nicht gerade feinfühlig. Sein Körper war mit Prellungen und Quetschungen übersät, und manchmal hatte Golo das Gefühl, daß sogar Lanzenbrecher seinen Spaß daran hatte, wenn er aus dem Sattel stürzte. Hätte er nur niemals sein Dorf verlassen! Er dachte daran, wie die jungen Mädchen wä h rend der Erntezeit in den Feldern mitgeholfen hatten. An ihre hochgesteckten Röcke , den silbrigen Schweiß auf ihrer Haut und die lachenden, sommersprossigen Gesichter.
    »Nun, Ritter, was brütest du vor dich hin?«
    »Ich habe mir Gedanken über die Minne gemacht und daß ich mir das Leben als ein Adliger anders vorgestellt hatte.«
    Der Bischof gab seinem Diener den Becher zurück und grinste breit. »Möchtest wohl in die warmen Betten der Edelfräulein steigen? Macht es dir Freude, dir vorzustellen, wie du vor ihnen mit deinem Bauernschwanz wedelst und sie dich für einen Ri t ter halten? Ohne mich wärest du niemals soweit gekommen, vergiß das nicht! Und jetzt möchte ich deine ganze Hingabe beim Schwertkampf wissen! Bei deiner jämmerlichen Deckung wirst du nicht einmal deine erste Schlacht überleben, du Hundsfott. Sei gewiß, daß ich dafür sorgen werde, daß du dich zuerst in einer Schlacht bewährst, bevor du ein Weib von edlem Blut bekommst.« Jehan setzte seinen Helm auf und zog sein Schwert.

    So wie die Strahlen der Sonne jeden Tag an Kraft gewannen, so fühlte auch Volker sich zunehmend stärker. Neman besuchte ihn nur unregelmäßig, und manchmal geschah es, daß er für mehrere Tage alleine war. Sie brachte ihm reichlich Nahrung und gelegentlich auch trockenen Torf, mit dem er ein kleines Feuer unterhalten konnte.
    Je stärker er sich jedoch fühlte, desto unruhiger wurde er. Der Grabhügel war ein Ort, der ihm Angst einflößte. Obwohl sein Fieber verflogen war, quälten ihn nachts noch immer unheiml i che Träume. Er sah, wie sich die Toten aus ihren Gräbern erh o ben und ihn umringten. Sie nahmen ihn in ihre Mitte und drängten ihn, immer tiefer in den Hügel hinabzusteigen. Volker versuchte, sich ihnen zu widersetzen. Er zog sein Schwert und kämpfte. Doch wo er eines der kopflosen Skelette in Stücke hieb, erhoben sich sofort zwei neue. Immer dichter wurde die Wand aus lebendigem Gebein um ihn herum, bis sie schließlich zu einer regelrechten Mauer aus übereinandergeschichteten Knochen anwuchs. Der Traum hatte immer dasselbe Ende. Se i ne Kräfte erlahmten. Er gab auf und folgte dem Drängen der Toten. Sie brachten ihn tief in die Erde, bis zu einer steinernen Pforte. Unheimliche Worte in einer längst vergessenen Sprache ertönten. Das Tor öffnete sich, doch bevor er die Schwelle übe r schreiten konnte, erwachte er.
    Um den Träumen zu entgehen, floh Volker aus dem düsteren Grab. Er mißachtete die Warnungen Nemans. Erst wagte er sich nur bis

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