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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Wein getrunken, die letzte Pastete verzehrt. Ruhe kehrte ein. Die halbfertigen Türme, von verwegenen Gerüstbauten umrankt, ragten wie versteinerte Riesen in den Nachthimmel, groß genug, um jeden Menschen unbedeutend erscheinen zu lassen.
    Zufrieden schritt der Prälat Aurelius über die verlassene Baustelle. Der Mensch sollte vor dem Haus Gottes ebensolche Ehrfurcht empfinden wie vor Gott selbst. Deshalb bauten sie den neuen Dom mit den hohen, himmelstürmenden Türmen. Das Sprichwort, die Kathedralen seien die Bibeln des armen Mannes, hielt Aurelius für äußerst passend.
    Aber diese Kathedrale war auch die Bibel des gebildeten Prälaten, nicht nur weil Bischof Severin ihn zum Aufseher über die Bauarbeiten bestimmt hatte. In dieser Stellung hatte Aurelius zwei Gründe, nachts zwischen Bauhütten, halbfertig zusammengezimmerten Bogengerüsten und riesigen Steinblöcken in den verschiedensten Stadien der Bearbeitung hindurchzuwandern. Er überprüfte die Baustelle und konnte sich dabei ganz nah bei seinem Gott fühlen.
    Plötzlich nahm Aurelius eine Bewegung wahr. Er blieb stehen und wandte den Kopf. Vor ihm schien eine der steinernen Statuen zum Leben erwacht zu sein.
    Das Gesicht war noch unbehauen. Ohne Augen, Nase, Mund. Einfach nur eine halbrunde Fläche. Aber das Ding bewegte sich…
    Es lebte!
    Ging langsam auf Aurelius zu.
    Erleichtert stieß er den angehaltenen Atem aus, als er die Wahrheit erkannte. Es war keine zum Leben erwachte Statue, sondern ein Mensch. Ein Steinmetz, der seine Maske aus feinem Drahtgeflecht trug, als Schutz gegen Staub und Gesteinssplitter. Natürlich, die Gestalt, die im Mondlicht nur undeutlich zu sehen war, kam von der Bauhütte der Steinmetzen. Das mußte Meister Bertram sein.
    »So spät noch bei der Arbeit, Meister Bertram?« rief der Prälat. »Oder findet Ihr auch keinen Schlaf?«
    Er erhielt keine Antwort. Der Maskierte ging einfach weiter, war nur noch drei Schritte vom Prälaten entfernt.
    »Wenn Ihr unter der Maske nicht gut sprechen könnt, nehmt sie doch ab!«
    Der Maskierte hatte Aurelius erreicht, blieb dicht vor ihm stehen und zog das Drahtgeflecht über den Kopf.
    »Na also, Meister…« Der Prälat stockte, und seine Augen weiteten sich, als er in das Gesicht sah. »Ihr seid es, Herr? Was hat das…«
    Diesmal verstummte er nicht freiwillig. Scharfer Stahl, der mit stechendem Schmerz in seine linke Brust fuhr, brachte ihn zum Schweigen. Er krümmte sich, während der andere die Klinge wieder aus seinem Leib zog. Dann fiel Aurelius in den Staub. Noch war ein Funke Leben in ihm. Er dachte an den Brand des Monasteriums vor fünfzehn Jahren und an die beiden Leichen, die man am nächsten Tag gefunden hatte: eine Dirne und den Propst – erstochen. Den Mörder hatte man nie gefaßt, zum Unglück und Schrecken für alle Geistlichen Xantens.
    Immer wieder hatte der Unbekannte zugeschlagen. Manchmal lag mehr als ein Jahr zwischen den Morden. Aber wieviel Zeit auch vergehen mochte, man konnte sicher sein, irgendwann wieder einen ermordeten Mönch oder Priester in den Straßen der Stadt zu finden.
    So wie man Aurelius finden würde. Er kannte jetzt die Person des Mörders.
    Zu spät…
    Ein kräftiger Schnitt durch seine Kehle löschte seine Erkenntnis und sein Leben aus.
     

     
    Mit einem höhnischen Lächeln starrte der Rächer auf den ausblutenden Leib unter ihm und auf den blutigen Dolch in seiner Rechten. Es war derselbe Dolch mit dem Hirschhorngriff, mit dem er damals den sittenlosen Propst getötet hatte. Sein rasselnder Atem beruhigte sich. Wieder hatte er einen Pfaffen der gerechten Strafe zugeführt. Und ausgerechnet den Prälaten, der den Dombau leitete. Das würde ein schwerer Schlag für den fetten Severin sein!
    Der Rächer reinigte seine Klinge am Gewand des Toten. Er wollte sich schon abwenden, da kam ihm ein Einfall: War es ein Zeichen, daß in dieser Nacht ausgerechnet Aurelius sein Opfer geworden war? Wollte der Feuergott seinem Diener einen Hinweis geben?
    Warum sollte er mit dem großen Feuer warten, bis der Dom fertig war? Warum sollte er es überhaupt zulassen, daß sich eine Kathedrale des falschen Gottes über Xanten erhob?
    Diese Nacht war die Nacht des Feuergottes, die Nacht der Rache, des großen Feuers!
    Suchend blickte er sich um und erspähte die Bauhütte des Schmieds, der die Werkzeuge für die Bauarbeiten fertigte und ausbesserte. Das Mondlicht fiel auf den klobigen Hammer, der als Zeichen der Schmiedekunst über dem Eingang hing.
    Die

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