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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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klapprige Tür aufzubrechen war für den Rächer ein Kinderspiel. Als er zur Esse ging, spürte er die aufsteigende Wärme der Glut im Kohlebecken. Er streckte die flache Hand aus und hielt sie dicht über die Kohlen. Die Glut war nur schwach, aber sie würde ausreichen!
    Der Rächer trat an den großen Blasebalg. Mit raschen, aber gleichmäßigen Bewegungen blies er Luft zwischen die Kohlen, entfachte er die Glut aufs neue.
    Er spürte ihre Wärme, die zur Hitze wurde. Sah mit lustvoll geweiteten Augen auf das Rot, das sich ausbreitete, als wolle der Feuergott die ganze Welt verschlingen.
    So war es auch damals gewesen, als der Feuergott zum erstenmal zu dem Rächer gesprochen hatte. Aus den Flammen hatte ihn das Gesicht angestarrt: schrecklich und zornig und gebieterisch. Und dann erklang die dröhnende Stimme in seinem Kopf:
    Warum duldest du, ein Abkömmling meines Geschlechts, daß die Menschen dem falschen Christengott huldigen? Unternimm etwas dagegen! Sei mein Arm, mein Schwert! Vernichte den falschen Gott und alle, die ihm dienen! Bring das Feuer über die Welt!
    Dann war die Nacht gekommen, in der er das Stift niederbrannte – seine »Feuerprobe«. In der nächsten Nacht, als er die Asche zur alten Königsburg brachte und das Blut des Feuergottes in seinen Adern aufnahm, wußte er, daß er wirklich der Auserwählte war.
    Mit einer Schaufel glühender Kohlen verließ der Rächer die Schmiede, lief zur nächsten Hütte und schleuderte die Glut auf das Holzschindeldach.
    Es knisterte, knackte – und die ersten Flammen schlugen empor.
    Weiter! drängte die Stimme in seinem Kopf. Brenne nicht nur die Hütten nieder, zerstöre auch das Haus des falschen Gottes!
    Er hetzte zur Schmiede zurück, schob neue Kohlen auf die Schaufel, rannte wieder hinaus – und blieb vor der Schmiedehütte stehen. Unter lautem Geschrei rannten Menschen auf die brennende Bauhütte zu. Mönche oder Laienbrüder, er konnte es nicht erkennen. Es war auch gleichgültig. Wichtig war nur, daß seine Tat entdeckt war.
    Zu früh!
    Aber andere Nächte würden kommen. Und der Rächer würde wieder zuschlagen. Mit einer Waffe, die viel wirksamer war als Dolch und Feuersbrunst. Andächtig flüsterte er: »Siegfried!«
     

     
    »Wären nicht zufällig ein paar Laienbrüder von einem auswärtigen Besuch zurückgekehrt, hätte das Feuer nicht so schnell gelöscht werden können«, berichtete aufgeregt Bischof Severin und verschwieg, daß diese weibstollen Kerle ein Hurenhaus aufgesucht hatten. »Aber für den armen Aurelius kam leider jede Hilfe zu spät!«
    »Dann besteht kein Zweifel, daß es derselbe Kerl war, der damals das Stift in Brand gesteckt hat«, stellte Reinhold von Glander fest. »Der Mönchsmörder hat wieder zugeschlagen.«
    »Kann man denn nichts gegen ihn unternehmen?« fragte Sieglind.
    Reinhold runzelte die Stirn. »Niemand weiß, wann er zuschlägt. Vielleicht schon heute nacht wieder oder erst in einem Jahr.«
    Sieglind schüttelte den Kopf. »Aber warum ausgerechnet in der letzten Nacht, als Xanten feierte?«
    »Vielleicht war das der Grund«, meinte der Bischof und rieb über seine vor Aufregung geröteten Wangen. »Vielleicht wollte er den Trubel ausnutzen, um ungesehen zu verschwinden.«
    »Oder er wollte Aufregung in die Friedensverhandlungen bringen«, meinte Reinhold.
    Sieglind sah ihn an. »Ihr meint, um den Frieden zu stören?«
    Reinhold hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, leider.« Sein Blick glitt zu Siegfried und Amke hinüber, die in einer anderen Ecke des großen Burgsaales über einem Schachbrett hockten. »Vielleicht wäre es klüger, wenn Hariolfs Tochter von unserem Gespräch nichts erfährt. Es könnte zur Beunruhigung unseres Gastes führen.«
    »Ein guter Rat, Graf Reinhold«, sagte Sieglind und ging zu den beiden hinüber. »Das große Fest geht weiter. Wollt ihr euch den Trubel nicht ansehen? Eure Schachpartie könnt ihr am Abend beenden!«
    Siegfried fühlte sich wohl in Amkes Nähe, und ihr schien es mit ihm genauso zu gehen. Sie liefen durch die Straßen von Xanten, sie lachten viel und tanzten, tranken Honigwasser und probierten alle möglichen Köstlichkeiten. Doch einmal brach Siegfrieds lautes Gelächter über die Possen eines zwergwüchsigen Spaßmachers abrupt ab.
    »Was hast du?« fragte Amke. »Der Kerl ist doch lustig!«
    »Der Graue Geist!« flüsterte Siegfried, während er zu der seltsamen Gestalt weit hinten in der Zuschauermenge blickte.
    »Was meinst du, Siegfried?«
    »Ach,

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