Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
Vom Netzwerk:
warm.
    Trügerisch angenehm!
    Die Zunge leckte an Siegfrieds Lippen wie zu einem unanständigen, widernatürlichen Kuß. Er konnte nicht länger an sich halten und öffnete den Mund, wollte die Lippen vor der Schlangenzunge retten. Darauf hatte die Otter nur gewartet. Erst nur mit der Zunge, dann mit ihrem Kopf, drang sie in seinen Mund ein. Wollte sie sich mit ihrem ganzen Leib in den Menschen schlängeln?
    Siegfried verspürte einen starken Würgereiz, als die fremde Zunge in seinen Rachen vorstieß. Dann biß er zu.
    Mit aller Kraft.
    Knirschend durchtrennten seine Zähne Schuppen, Haut und Fleisch. Nur für einen winzigen Augenblick. Dann öffnete Siegfried eingedenk des tödlichen Giftes schnell den Mund und spie den Kopf der Otter aus.
    Das Schlangenhaupt war nicht ganz vom Leib abgetrennt. Die Königsotter lebte noch und wand sich schmerzerfüllt. Die übrigen Ottern wichen zurück, als wollten sie ihrer Herrscherin im Tod nicht zu nahe kommen.
    Die Zuckungen der Königsschlange wurden schwächer, und schließlich lag sie reglos am Rand der Grube. Erregt und erleichtert atmete Siegfried tief durch. Mit jedem kräftigen Atemzug pumpte er neues Leben in seinen Leib. Es war ein gutes, euphorisches Gefühl, den gefährlichen Gegner trotz seiner hilflosen Lage besiegt zu haben. Doch es währte viel zu kurz…
    Die Ottern schlängelten wieder auf die Grube zu. Unzählige. Aus allen Richtungen. Sie kamen, um den Tod der Königsschlange zu rächen. Die ersten Tiere hoben ihre Leiber, machten sich zum Todesstoß bereit.
    Da sprang eine Gestalt aus dem Dunkel hervor, griff mit einer flinken Bewegung nach Siegfrieds Fackel und strich den qualmenden, stinkenden Brand dicht über den Boden. Gierig fraß das Feuer die Schlangenleiber. Erschrocken von dem neuen, unerwartet in ihrem Rücken aufgetauchten Gegner, zog sich die Schlangenbrut rasend schnell in ihre Schlupflöcher zurück. Binnen weniger Augenblicke war keine einzige Otter mehr im Umfeld der Grube zu sehen.
    Froh über seine Rettung und gleichzeitig überrascht starrte Siegfried in Amkes besorgtes Gesicht. Gebückt stand sie vor ihm und hielt die Fackel dicht über den Boden, bereit, sich und Siegfried gegen einen neuen Angriff zu verteidigen. Wie eine Wölfin, die ihren Wurf beschützte.
    Aber die Schlangen kehrten nicht zurück; sie waren in die Flucht geschlagen – oder warteten auf eine günstigere Gelegenheit.
    »Die Grube!« stieß Siegfried hervor und unterdrückte die drängende Frage, wie Amke hergekommen war. »Sie ist zu eng, ich komme nicht hinaus. Du mußt mir helfen. Nimm den Spieß und verbreitere das verfluchte Loch!«
    Amke legte die Fackel an den Grubenrand, so nah, daß sie jederzeit danach greifen konnte, um die Schlangen in die Flucht zu schlagen. Dann nahm sie den Spieß auf und stieß ihn in das Loch. Größere Brocken aus Gestein oder Erdreich lösten sich und rieselten an Siegfried hinab.
    »Ja, mach weiter!« feuerte er die Friesin an.
    Amke arbeitete ohne Unterlaß, bis Siegfried glaubte, daß es genug sei. Er preßte sämtliche Luft aus seinen Lungen, machte sich so dünn wie möglich und zog die Arme hoch. Wieder riß scharfkantiger Stein seine Haut auf, aber es gelang. Erst kam der linke, dann auch der rechte Arm frei. Siegfried stützte sich mit den Händen auf und kletterte mit Amkes Hilfe aus der beinahe tödlichen Falle.
    Vor seinen Füßen lag die Königsotter. Ihr Leib zitterte leicht.
    Sie war noch immer nicht tot!
    Er erinnerte sich an das entwürdigende Gefühl, ausgeliefert zu sein. Von Abscheu und Zorn gepackt, trat er zu, hieb den Stiefelabsatz immer wieder auf den gemusterten Körper, zertrat ihn, bis der Schlangenkopf endgültig vom Leib getrennt war.
    Die Wut ließ nach, aber nicht der Widerwille, den er beim Anblick der toten Otter empfand. Er spürte einen plötzlichen Druck in der Magengegend. Mit vorgekrümmtem Leib, die Rechte an eine Felsnadel gestützt, übergab er sich, bis er nur noch grünliche Galle erbrach.
    Als es vorbei war, drehte er sich mit verschämtem Blick zu Amke um. Sich eine solche Blöße gegeben zu haben war, eines Mannes unwürdig.
    »Du warst sehr tapfer, Siegfried«, sagte Amke. »Ich habe gesehen, wie du… zugebissen hast. Ich glaube, ich an deiner Stelle wäre vor Angst gestorben.«
    »Das wäre ich auch fast«, erwiderte er leise, ohne sie anzuschauen.
    »Du bist der tapferste Recke, den ich kenne«, erklärte sie mit ehrlicher Bewunderung. »Du wärst gewiß nicht aus Angst vor einem

Weitere Kostenlose Bücher