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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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gemeinsam auftauchten? Gab es ein menschenähnliches Wesen, das die Gestalt eines Vogels annehmen konnte?
    Diese Überlegungen waren so verwirrend und beunruhigend, daß Siegfried froh war, als Amke ihn ablenkte. Sie wollte auf der Lichtung und im Wald ein paar Kräuter suchen, um seine Wunden zu behandeln.
    »So etwas kannst du?« fragte er erstaunt.
    Amke antwortete mit einem koketten Augenaufschlag. »Bei uns Friesen lernt eine vornehme Frau nicht nur sticken. Man sagt, nur ein Friesenmädchen könne eines wackeren Recken Weib sein.«
    »So viele Friesenmädchen wird es kaum geben, leider.« Er warf einen mißtrauischen Blick zum Waldrand und sagte: »Geh nicht zu weit in den Wald. Und falls du etwas Ungewöhnliches bemerkst, ruf mich sofort!«
    »Ganz wie Ihr befehlt, werter Ritter«, lachte sie und lief über die Wiese.
    Siegfried sah ihr nach. Warum mußte sie ausgerechnet König Hariolfs Tochter sein?
    Als sie zurückkam, hatte er mehrere Handvoll Heidelbeeren gepflückt. Er fütterte abwechselnd sie und sich selbst mit den Beeren, während Amke ihm Kräuterverbände anlegte. Sie riß dazu Stoffstreifen aus ihrem Kleid. Siegfried fühlte sich wohl in ihren Händen und wünschte sich, es könnte immer so sein. Viel zu schnell mußten sie die Lichtung verlassen. Aber der Tag neigte sich der Abenddämmerung zu. Als Graufell mit seinen beiden Reitern in den Wald eintauchte, herrschte zwischen den Bäumen schon ein Ungewisses Halbdunkel.
     

     
    Das Jagdlager konnte nicht mehr weit sein, als dumpfer Hufschlag, der nicht von Graufell stammte, auf dem weichen Waldboden erklang. Aus der Düsternis löste sich ein großer Schatten. Zwischen hohen Tannen hielt der Fremde an.
    Siegfried zügelte sein Tier und zog den Dolch aus der Scheide. Jetzt vermißte er den Spieß, der irgendwo auf dem Grund des Höhlensees lag. Wäre Amke nicht bei ihm gewesen, hätte er sich nicht so große Sorgen gemacht. Solange sie hinter ihm saß, würde er sich nur schwer verteidigen können.
    Leise raunte er ihr zu: »Wenn ich dir ein Zeichen gebe, springst du vom Pferd!«
    »Was flüstert Ihr?« erscholl eine fremde Stimme. »Nennt lieber Euren Namen!«
    »Nennt Euren zuerst, Fremder!« erwiderte Siegfried mit ebenso lauter, herrischer Stimme.
    »Das ist Harko!« rief Amke.
    »Amke?« fragte der Schattenreiter.
    Er setzte sein Pferd in Bewegung. Es war ein kräftiger, starkknochiger Mausfalbe. In dem wuchtigen, schwarzledernen Sattel saß Prinz Harko im vollen Jagdgewand, an der Hüfte ein Schwert, den Schild an den Sattel gehängt und einen Spieß in der Rechten.
    »Endlich habe ich dich gefunden, Amke! Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht, als dein Pferd ohne dich ins Lager zurückgekehrt ist.«
    »Goldflimmer?« rief Amke erfreut aus.
    »Das Tier war völlig verängstigt und zerschunden. Seitdem suchen wir dich überall.«
    »Ich war bei Siegfried.«
    »Das sehe ich«, stieß der Friesenprinz mißmutig hervor. »Aber es bereitet meinen Augen keine Freude. Es schickt sich nicht für die Prinzessin von Friesland, sich allein mit einem Jungen im Wald herumzutreiben!«
    »Wir haben uns nicht herumgetrieben!« rief Amke wütend.
    »Wieso seht ihr so mitgenommen aus?«
    »Siegfried… er hat mich vor einem Bären gerettet. Wäre Siegfried nicht gekommen, hätte der Bär mich getötet!«
    »Wo ist denn dieser gefährliche Bär? Habt Ihr Eure Beute nicht mitgebracht, edler Siegfried?«
    »Ich pflege lebende Bären nicht an der Leine spazierenzuführen. Hätte ich gewußt, daß ich auf Euch treffe, Prinz Harko, hätte ich es gewiß getan.«
    »Wieso lebt der Bär noch, wenn Ihr gegen ihn gekämpft habt?« fragte Harko.
    »Weil er vor mir geflohen ist«, erklärte Siegfried.
    Harko stieß ein lautes, abgehacktes Lachen aus. »Mir scheint, der einzige Bär, mit dem wir es hier zu tun haben, ist der, den Ihr und meine Schwester mir aufbinden wollt!«
    Siegfried konnte kaum noch an sich halten. Bisher hatte er alles geschluckt: Harkos überheblichen Tonfall und die unterschwelligen Unterstellungen, aber Amke und ihn offen als Lügner hinzustellen, das ging gegen seine Ehre.
    »Wäre Eure Schwester nicht bei mir, würde ich Euch ganz etwas anderes aufbinden, Friese!«
    Das aufgesetzte Lachen verschwand schlagartig aus Harkos Gesicht. Er stieß den Speer mit der Spitze ins Erdreich und stieg aus dem Sattel. »Nur zu, laßt Euch durch Amke nicht stören, Niederländer!«
    Noch bevor Amke ihn zurückhalten konnte, war auch Siegfried vom Pferd

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