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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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er, ohne sie anzuschauen, »wenn du mir doch nicht glauben wirst.«
    Ihre Haare hatten sich wieder gelöst und hingen wie goldene Vorhänge zu beiden Seiten ihres Gesichts herab, berührten sanft seine Wangen. Mit bebenden Fingern strich Kriemhild sie zurück.
    Ihre Blicke kreuzten sich, und plötzlich lächelte er. »Angst?«
    Entgeistert starrte sie ihn an. »Angst? Lieber Himmel, ich habe gedacht –«
    »Das meine ich nicht. Hast du Angst vor mir?«
    Eine Weile länger blickte sie auf ihn herab, schweigend, staunend, dann mit einem Kopfschütteln. Sie gab sich einen Ruck und stand auf. »Nein«, sagte sie dann und blickte über ihn hinweg zu den Hütten am Rand der Lichtung. »Sollte ich denn?«
    Er zog die Knie an und stemmte sich nach oben. Er schwankte leicht, als er auf den Füßen stand, aber wenn er gedacht hatte, Kriemhild würde sogleich herbeispringen und ihn stützen, so hatte er sich getäuscht.
    »Ich habe Angst vor mir selbst«, sagte er so leise, daß die Worte kaum zu hören waren.
    Kriemhild lächelte fahrig. »Und ich dachte schon, du kennst wirklich keine Angst.«
    Er schüttelte den Kopf, sagte aber nichts darauf.
    »Also«, meinte sie, »was ist vorhin geschehen?«
    »Ich habe nicht mehr gesehen als du.«
    »Eher weniger, würde ich sagen. Du hast am Boden gelegen und dir die Augen zugehalten.« Die Bemerkung tat ihr gleich darauf leid. Es war gemein, sich über seine Furcht lustig zu machen. Aber was tat er auch so geheimnisvoll?
    »Vielleicht sollten wir uns trennen«, sagte er bedrückt. »Es ist gefährlich, an meiner Seite zu reisen.«
    »Es ist gefährlich, mir zu Salomes Zopf zu folgen«, entgegnete sie.
    »Was willst du dort überhaupt?«
    »Später«, sagte sie. »Erst sagst du mir, was du weißt.«
    Er seufzte, trat neben sie und betrachtete die Hütten. »Ich habe dir gesagt, was es ist, das mir folgt.«
    »Ja«, bemerkte sie spitz, »die Götter.« Sie machte einen halben Schritt um ihn herum und baute sich mit den Händen an den Hüften vor ihm auf. Ihre Brauen waren zwei steile, dunkle Striche. »Ich will die Wahrheit wissen.«
    »Es ist die Wahrheit.« Damit ließ er sie stehen und ging langsam auf die Ansiedlung am Waldrand zu. Niemand zeigte sich. Mittlerweile war es zu dunkel, um jenseits der vorderen Hüttenreihe noch etwas zu erkennen. Nirgendwo brannte ein Feuer, nicht einmal Kerzen.
    Kriemhild blickte ihm fassungslos nach, dann setzte sie sich in Bewegung, um aufzuholen. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Wir müssen die Pferde suchen!«
    »Vergiß die Pferde.«
    »Aber –«
    »Sie sind fort«, unterbrach er sie barsch. »Wir werden sie nicht finden. Das gehört zum Spiel.«
    »Zum Spiel, zum Spiel«, ahmte sie ihn verärgert nach. »Sag mir endlich –«
    Er fuhr ruckartig herum, noch bevor er die äußeren Hütten erreichte. »Sie spielen mit mir. Oder um mich. Weiß der Teufel nach welchen Regeln. Sie jagen mich, sie zerbrechen mich, aber sie tun mir nichts zuleide. Noch nicht.«
    Da war etwas in seinen Augen, das sie zum ersten Mal zaudern ließ. Und wenn das, was er sagte, doch die Wahrheit war? Oder wenigstens ein Teil der Wahrheit? Wenn er wirklich verfolgt wurde, von wem auch immer?
    »Gut«, sagte sie fest, und hoffte, daß es das Richtige war, »ich glaube dir. Ein wenig, zumindest.«
    Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die deutlich machte, daß er ihren Worten nicht traute. »Tu, was du willst. Aber du solltest nicht dort im Freien herumstehen. Es wird gleich von neuem losgehen.«
    Kriemhilds Körper versteifte sich. Ein Stein schien von ihrer Brust hinab in den Magen zu sacken. »Sie kommen wieder?« preßte sie tonlos hervor.
    Er nickte ungerührt. »So ist es jedesmal. Auf jeden Zug folgt ein Gegenzug.«
    Jetzt beeilte sie sich, mit weiten Schritten an seine Seite zu gelangen. »Gegenzug?« Sie packte seine Schulter und zog ihn herum. »Sie hätten uns doch vorhin schon töten können, wenn sie es gewollt hätten.« Wer immer sie waren, fügte sie im stillen hinzu.
    »Sie sind vertrieben worden.«
    »Von wem?«
    »Von einem der Gegenspieler.«
    Ganz allmählich begann sie zu begreifen. »Du willst damit sagen, daß es –«
    »Mehrere Spieler gibt, ganz genau. Stell es dir vor wie eine Reihe von Leuten, die rund um eine Arena sitzen. Am Boden der Arena läuft eine kleine Maus umher, kreuz und quer, in Panik. Und jeder, der auf den Rängen sitzt, gebietet über eine Katze. Alle Katzen werden zugleich in die Arena gelassen. Keine gönnt der anderen die

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