Nibelungen 07 - Das Zauberband
sicher gewesen, daß es ihr alleine gelungen wäre, die Flammen zu erwecken. Zu lange hatte auch sie nicht mehr zur weißen Göttin gebetet.
Ihr Blick fiel auf Norwin, der in einiger Entfernung neben ihrer Stute wartete. Trotz der noch anhaltenden Dunkelheit erkannte sie im Schein des brennenden Zeltes deutlich die Tränen, die ihm über die Wangen rollten.
»Sie ist jetzt auf dem Weg zu den Gärten der Gwenyar, dort wird sie schon lange erwartet«, sagte Antana. Sie warf einen Blick auf Mirka, die immer noch ohnmächtig war.
Norwin hatte sie auf die Stute gesetzt, wie sie es ihm gesagt hatte. Der Kopf der Hohenpriesterin ruhte sicher auf dem Hals des Pferdes, das ruhig dastand und wartete. Die Heilerin nahm dem Krieger die Zügel aus der Hand.
»Ich werde langsam gehen, wenn Ihr noch Abschied nehmen wollt.«
»Nur einen Augenblick.« Norwin wischte sich die Träne mit dem Handrücken fort.
»Ich weiß«, sagte Antana. »Ihr habt sie geliebt.«
7. KAPITEL
as kleine Feuer wärmte nur noch ihre Füße. Brunhild wickelte verschlafen die Decke, die Raban ihr in der Nacht gegeben hatte, fester um sich, doch es half nichts. Müde streckte sie ihre Glieder und rieb sich mit den Händen über die Augen. Das mattgraue Licht des erwachenden Tages ließ die Bäume ringsum wie stumme schwarze Wächter erscheinen. Nirgends konnte sie Raban entdecken. Für einen Augenblick hoffte sie, daß er vielleicht nur in den Wald gegangen war, um neues Holz für das Feuer zu holen. Doch es war unsinnig! Niemand ging bei Morgengrauen neues Holz holen und erst recht nicht mit seinem Pferd.
Ihr Herz schlug schneller. Sie fühlte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Bitter traf sie die Erkenntnis, daß Raban dieses Mal wirklich fortgeritten war. Er hatte sich endgültig für Inmee und die Wölfin entschieden. Brunhild spürte, wie ein verzweifelter Schmerz durch ihren Leib fuhr. Einen Lidschlag lang wollte sie Raban folgen, ihn bitten, sie nicht zu verlassen, sondern bei ihr zu bleiben, doch dann schalt sie sich eine Närrin und wischte sich die Tränen von den Wangen. Das Schicksal hatte ihm einen anderen Weg bestimmt, dagegen war sie machtlos.
Außerdem wußte sie, daß es völlig unmöglich war, zu Fuß einem Reiter folgen zu wollen, der vielleicht schon seit Stunden unterwegs war.
Noch einmal schaute sie sich um. Es war heller geworden. Allmählich erkannte sie, wo genau sie sich eigentlich befand. In diesem Wald hatte sie gelegentlich mit Arma gejagt. Sie betrachtete noch einmal den weißgefiederten Pfeil des fremden Reiters, den Raban mit seinem Bogen nicht hatte schießen können. Vielleicht, dachte sie, bin ich nicht die einzige, die Inmee und der Wölfin Einhalt gebieten will.
Nachdenklich spielten ihre Finger mit Ramees Gürtel. Dabei fiel ihr Blick auf das fast verloschene Feuer, vielleicht sollte sie die Göttin befragen. Schließlich war sie eine geweihte Priesterin.
Erstaunt blickte Antana auf. War sie so müde und erschöpft, daß sie nicht gespürt hatte, wo die Grenze des Zaubergartens begann? Sie hatte über Pyros nachgedacht, der hinter Mirka auf dem Rücken ihrer Stute lag. Dabei hatte sie nicht recht auf den Weg geachtet, doch sie wußte, daß sie zum Mondscheintempel notfalls auch mit verbundenen Augen hätte gehen können. Um so erstaunter war sie nun, das Rauschen des Wasserfalls so nahe zu hören und immer noch einen kühlen Wind auf ihrer Haut zu fühlen. Außerdem blies der Wind aus der falschen Richtung. Antana blieb verwundert stehen.
Norwin, der ihr in einigem Abstand langsam folgte, hob den Kopf.
»Warum gehen wir nicht weiter?« fragte er. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Für einen Augenblick dachte ich, wir hätten den Weg verloren und uns verirrt, doch das ist unmöglich!«
»Was stimmt denn nicht?« Der Krieger kam näher. Mißtrauisch horchte er.
»Wart Ihr schon einmal im heiligen Garten?« fragte Antana.
»Nein.« Norwin schüttelte den Kopf.
»Dann kann es Euch nicht auffallen! Gewöhnlich beginnt hier der Frühling.« Antana gab Norwin die Zügel ihrer Stute und ging ein paar Schritte weiter. »Der Duft von frischen Blüten weht einem weithin entgegen, und der sanfte, warme Wind ist stets ein Willkommensgruß der Göttin! Ein Gefühl von Frieden und Liebe legt sich über das Herz. Es ist ein Segen, die magische Grenze passieren zu dürfen, um den Garten rund um den Wasserfall betreten zu können, doch jetzt spüre ich von alldem nichts. Es ist wie ausgelöscht.«
An einem der
Weitere Kostenlose Bücher