Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
auch die Räuber des Ebers. Sie haben ge s tern nacht die Gegend unsicher gemacht. Womöglich ist auch dein Diener eines ihrer Opfer geworden!«
»Wie sollten die Räuber denn unbemerkt die Stadtmauern überwunden haben?« entgegnete der junge Ritter sarkastisch. »Ich war heute morgen noch einmal in den Thermen, um bei Tageslicht nach Spuren zu suchen. Außer einer eingetrockneten Blutlache war nichts zu finden. Die Leiche ist weg! Irgendwe l che Räuber hätten sich niemals die Mühe gemacht, einen Mann verschwinden zu lassen, den sie wegen der paar Kupferstücke in seiner Geldbörse umgebracht hätten. Ich sage dir, es waren die Männer des Grafen!«
»Und warum sollte Ricchar einen seiner Diener ermorden la s sen? Ich kann keinen Sinn in deinen Verdächtigungen sehen? Ricchar ist ein vorbildlicher Gastgeber. Er ist ein Mann von Bi l dung, Anstand und ritterlichem Mut. Gestern nacht hätte er, ohne zu zögern, sein Leben gegeben, um eine Bauernfamilie gegen eine Bande von Halsabschneidern zu verteidigen. Ich werde nicht dulden, daß du den Namen dieses Mannes in den Schmutz ziehst!« Zwischen Volkers Augenbrauen zeigte sich eine steile Zornesfalte.
»Und wenn du ihn tausendmal einen Helden nennst, bleibe ich dabei, daß in dieser Stadt etwas nicht geheuer ist. Ich wollte heute mittag beten. Es gibt hier eine Kirche und eine Kapelle. Beide sind mit Brettern vernagelt. Weder am Fürstenhof noch in der Stadt findet sich auch nur ein christlicher Priester! Und wenn man die Leute auf der Straße nach einem Pater oder e i nem Mönch fragt, der einem die Beichte abnehmen kann, s u chen sie ängstlich das Weite!«
»Ja, ich weiß … « Volker wirkte zerknirscht. »Ricchar ist ein Heide. Aber warum sollte er deshalb ein Mörder sein? Und was die Kirchen angeht … Es ist nicht ungewöhnlich, wenn das ei n fache Volk den Glauben seines Fürsten annimmt.«
Golo schnaubte wütend durch die Nase. »Auf alles kannst du eine kluge Antwort geben! Trotzdem stimmt hier etwas nicht! Ich spüre es. Weißt du, daß man selbst über dich schon redet?«
Der Spielmann zuckte lächelnd mit den Schultern. »Was schert mich das Geschwätz von Küchenmägden?«
»Sie sagen, du hättest das kleine Mädchen mit in dein Qua r tier genommen, um dich mit ihr zu vergnügen! Warum hast du sie nicht einfach im nächsten Dorf gelassen? Sie muß hier doch irgendwo Verwandte haben … Jemanden, der sich um sie kümmert, und … «
Der Spielmann schnellte vor, packte ihn am Wams und drüc k te ihn gegen die gegenüberliegende Wand. »Paß auf, was du sagst! Wir waren bisher Freunde, Golo … Das muß nicht für die Ewigkeit so sein. Ich werde mir deine Beleidigungen nicht lä n ger anhören. Und was Mechthild angeht … Sie hat keine Ve r wandten! Es gibt niemanden, der sich um sie kümmern wü r de … Sie alle sind tot! Du hättest sehen sollen, was die Räuber ihrem Vater angetan haben … und ihr … « Dem Barden versagte die Stimme.
»Es tut mir leid.« Golo löste sich vorsichtig aus dem Griff des Recken. »Ich wollte nicht … Ich meine … Du kannst sie doch nicht für immer beschützen. Willst du sie mitnehmen, wenn wir aufbrechen? Erinnerst du dich noch, weshalb wir hierherg e kommen sind? Wir haben am Hof dieses Heidenfürsten nichts zu suchen. Den Feuervogel wirst du in den Bergen finden … « Der junge Ritter machte eine Pause und starrte Volker in die Augen. »Wenn es diesen Vogel überhaupt gibt!«
»Laß mich in Ruhe. Geh! Ich will allein mit ihr sein!«
»Dann wird es noch mehr Gerede über euch beide geben. B e greif das doch! Du warst immer mein Vorbild! Du bist, wie Ri t ter sein sollen. Mutig und ohne Fehl, aber jetzt … «
»Es hat sich nichts daran geändert! Nicht was die Leute sagen, ist wichtig! Ich bin noch immer ohne Fehl!«
Golo schüttelte den Kopf. Der Barde wollte einfach nicht b e greifen. »Was nutzt deine Tugend, wenn keiner an sie glaubt. In der Küche und in den Ställen macht man schon Späße über dich.«
»Ich werde mein Leben nicht von Lügen bestimmen lassen! Es sind letzten Endes allein die Taten, die zählen.«
Golo gab es auf. Er würde diesem verbohrten Dickkopf wohl niemals begreiflich machen können, daß sie beide hier in der Falle saßen. Dieser Palast würde ihnen noch zum Verhängnis werden! Einen Moment lang überlegte der junge Ritter, ob Ri c char vielleicht einen Zauber über Volker gesprochen hatte, doch dann verwarf er den Gedanken wieder. Ricchar war ein Krieger und kein
Weitere Kostenlose Bücher