Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Magier … Doch vielleicht hatte er unter seinen Freu n den einen Zauberer! Golo beschloß, sich die Männer aus dem Gefolge des Fürsten noch einmal genau anzusehen.
»Ich glaube, wie haben uns für heute nichts mehr zu sagen!« Volker trat in die Tür zu seiner Kammer. »Laß mich jetzt in R u he! Ich werde mich um das Mädchen kümmern … Sie ist noch immer ganz verängstigt.«
Golo nickte. Zerknirscht schritt er den Gang zum Atrium hi n ab. Er würde schon noch herausfinden, was für ein Spiel der Frankenfürst mit ihnen trieb! Und er würde Volker beschützen. Es mußte einen Weg geben, den Spielmann aus dieser unsel i gen Stadt hinauszubekommen!
Gedankenverloren schlenderte Golo den Gang hinunter, durchquerte das Atrium und bog in den Säulengang ab, der zum kleinen Garten führte. Es war schwül. Die Luft schien zu einer festen Masse erstarren zu wollen. Schweiß perlte von se i ner Stirn, und sein leichtes Leinengewand klebte ihm am Kö r per. Den ganzen Tag über hatte sich ein Gewitter angekündigt. Dunkle Wolken waren über den Himmel getrieben, doch der erlösende Regenguß war ausgeblieben. Jetzt ertönte von den Bergen im Westen leiser Donner.
Das rote Licht der untergehenden Sonne ließ die Wolken au f glühen wie die Kohlenstücke eines fast verloschenen Lagerfe u ers. Wenn nur endlich der befreiende Regen kommen würde! Golo betrat den Weg, der von den Säulen in den Garten führte. Einige merkwürdige Bäume mit noch merkwürdigeren roten Früchten wuchsen dort. Sie waren fast rund, kaum größer als kleine Kupfermünzen und rot wie Blut. Aus seinem Dorf kan n te er Äpfel, Birnen und Pflaumen. So etwas jedoch hatte er noch nicht gesehen. Es paßte zu den verschrobenen Ideen des Fra n kenfürsten, daß er in seinem Garten Obstbäume stehen hatte, wie man sie sonst nirgends fand. Wie dieses Obst wohl schmeckte? Verstohlen blickte Golo sich um. Eine hohe Hecke teilte den Garten in zwei Hälften. Es war niemand zu sehen, der ihn beobachtete. Die Äste der Bäume bogen sich unter der Last der Früchte. Es würde niemanden auffallen, wenn er etwas naschte. Langsam streckte er die Hand aus und verharrte inmi t ten der Bewegung. Hinter der Hecke war leises Stimmeng e murmel zu hören. Zwei Männer … Eine der Stimmen kam Golo bekannt vor. Es war der Graf!
Wieder blickte sich der junge Ritter um. Es war niemand da, der ihn beobachten konnte. Vorsichtig schlich er auf die Hecke zu. Es konnte nicht schaden, wenn er wußte, was der Graf mit seinen ketzerischen Freunden besprach.
» … unmöglich. Keiner der Jäger wagte es, ihm zu folgen. Hi n ter vorgehaltener Hand nennt man ihn den Herrn der Berge.«
»Ich weiß!« erklang die Stimme des Frankenfürsten gereizt. »Ich hätte ihn schon längst richten sollen. Aber diesmal ist er zu weit gegangen. Mein Heiler sagt, ich sollte mir wenigstens eine Woche Ruhe gönnen, doch ich denke, in drei Tagen bin ich wieder so weit bei Kräften, daß ich reiten kann. Bis dahin we r den wir ihn doch wohl nicht aus den Augen verlieren!«
»Nein, Bruder. Ich habe ein Rudel Wölfe auf seine Spur g e setzt. Sie haben keine Angst vor dem Eber. Im Gegenteil, sie sahen in dem kleinen Jagdausflug eine willkommene Abwech s lung.«
»Ich hoffe, daß den Wölfen meine Befehle klar sind! Ich will den Eber selbst zur Strecke bringen! Nicht, daß sie ihn vor mir reißen. Dieser räudige Hund hat es gewagt, auf mich zu schi e ßen und mich zu verhöhnen. Dafür soll er mir büßen!«
»Sie wissen, daß du ihn lebend haben willst«, entgegnete der Fremde. »Die Wölfe werden nur auf seiner Fährte bleiben. Sonst nichts.«
Golo hätte zu gern gewußt, mit wem der Fürst dort sprach. Und was sollte dieses Gerede über Wölfe? Wen meinte der Fremde damit? Vielleicht Söldner? Der junge Ritter war inzw i schen bis dicht an die Hecke geschlichen und bog vorsichtig einige der Äste auseinander. Auf der anderen Seite gab es ein kleines Wasserbecken, neben dem Marmorstatuen standen. Fürst Ricchar lag lang auf eine Kline gestreckt. Er trug eine ku r ze Tunika, unter der man deutlich sein bandagiertes Bein sehen konnte.
Hinter dem Grafen standen zwei Wachen mit eisernen Ma s ken. Der Fremde, mit dem Ricchar sprach, hatte Golo den R ü cken zugewandt. Es war ein hochgewachsener dunkelhaariger Mann. Er trug leichte Reitstiefel und einen staubbedeckten r o ten Umhang.
»Was ist mit dem Wesen mit dem Löwenkopf?« fragte der Fremde.
»Richte dem Bruder Heliodromus aus, daß er mit ihr
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