Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
dem Scheiterhaufen g e standen hast? Vielleicht bist du ja eine Zauberin … «
Die Bardin lachte. »Wenn es Zauberei ist, stets ein freies Wort zu führen und das Unrecht beim Namen zu nennen, dann habe ich mich wohl dieses Vergehens schuldig gemacht. Ich habe gesehen, wie sich ganze Dörfer in stummer Angst ducken, wie Priester vertrieben oder gar gehenkt wurden, weil sie von i h rem Glauben nicht ablassen wollten, und ich habe von all dem in meinen Liedern gesungen.«
»Bist du Christin?«
»Muß man das sein, um Recht von Unrecht unterscheiden zu können?«
Volker brummte etwas Unverständliches. Ihm gefiel ihre Art nicht. Sie redete mit ihm, als sei er irgendein Bauer. Kaum daß er sie gerettete hatte, fing sie an, Entscheidungen für sie alle zu fällen und die Gruppe zu führen. Er konnte genau spüren, daß die beiden anderen sie mochten. Es wäre besser, wenn sie nicht zu lange mit der Bardin reiten würden. Sie machte ihn unruhig. Wo hatte man je von einer Frau gehört, die allein übers Land reiste und durch ihre Lieder die Adeligen herausforderte. Mit ihr zu reiten konnte nur Unglück bringen! Er hatte sie gerettet. Daraus konnte sie kein Recht ableiten, mit ihnen zusammen zu reisen, obwohl sie zugegebenermaßen hübsch war … Der Spielmann betrachtete sie zum ersten Mal genauer. Unter and e ren Umständen hätte er vielleicht … Ihre Haut war blaß, und das, obwohl sie vorgab, bei Wind und Wetter durch das Land zu reisen. Sie war klein und zierlich, doch strahlte sie eine schwer in Worte zu fassende Aura von Kraft aus. Wenn sie e i nem zulächelte, war es einem unmöglich, ihr noch länger böse zu sein. Er konnte sich gut vorstellen, wie die Bauern, Bergleute und Köhler gebannt an ihren Lippen hingen, wenn sie sang.
»Wie bist du den Franken in die Hände gefallen? Hat man dich verraten?«
Ein Holzscheit knickte um und stürzte in die Glut des Feuers. Funken stiegen mit dem Rauch zur Höhlendecke auf. »Ich bin nach Icorigium geritten, um mit dem Statthalter zu sprechen.«
Volker traute seinen Ohren nicht. »Du bist was? War dir nicht klar, daß man dich sucht?«
»Doch. Deshalb bin ich ja auch gekommen. Reiter waren in das Dorf gekommen, in dem ich zuletzt gesungen hatte. Sie h a ben den Wirt und dessen ganze Familie nach Icorigium ve r schleppt. Sie sollten hingerichtet werden, weil ich unter ihrem Dache Schutz gefunden hatte. Ich habe mein Leben gegen das ihre getauscht.«
»Hat man sie wirklich ziehen lassen?«
Belliesa nickte. »Ja. Auf seine Art war der Statthalter ein e h renhafter Mann. Er gehörte zu den Löwen, und er hatte die Weisheit geschaut.«
»Löwen?« Golo legte einen Scheit ins Feuer und blickte zu der Bardin. »Was sind die Löwen? Er trug kein Wappen auf seinem Schild. Nennt Ricchar so seine Garde?«
»Löwen sind Priester, die schon ein weites Stück auf dem Weg zum Licht zurückgelegt haben. Sie kennen viele der My s terien des Mithras, und wenn sie mit einem anderen Eing e weihten sprechen, so bedienen sie sich einer geheimen Sprache voller rätselhafter Bilder. Statt Frau sagen sie zum Beispiel das Wesen mit dem Löwenkopf, und sie reden von den Schlangensta b trägem oder Raben, wenn sie die Priester des niedrigsten Weih e grades meinen. Sie müssen sich nicht durch feste Mauern vor den Ohren Neugieriger schützen. Man kann ihnen zuhören und wird doch nicht verstehen, wovon sie reden. Doch gerade weil sie um die Macht der Worte wissen, sind sie meine erbittertsten Gegner. Nachdem ich das Lied vom Falken gedichtet hatte, h a ben sie einen Preis auf meinen Kopf ausgesetzt.«
Volker mochte ihre Art zu erzählen nicht. Offenbar erwartete sie, daß man weiter nachfragte und ihr ihre Geheimnisse a b rang. Er würde darauf nicht eingehen. Wenn sie glaubte, sie müsse in Rätseln sprechen …
»Was war das für ein Lied?«
Der Spielmann warf Golo einen finstren Blick zu. Sein Kam e rad kroch der Bardin auf den Leim. Sollte er nur sehen, wohin das noch führen würde!
»Ich singe in dem Lied von einem stolzen Fürsten, der zur Jagd ausreitet. Über ihm am blauen Himmel kreist ein prächt i ger Falke. Alle Tauben und kleinen Vögel ducken sich ängstlich ins dichte Geäst der Wälder. Doch dann stößt ein Vogel auf Schwingen von Feuer vom Himmel hinab. Sein glühender Schnabel durchbohrt das Herz des stolzen Falken, und der J ä ger stürzt tot vor die Füße des Fürsten.« Belliesa lächelte tie f sinnig. »Ricchar hat vor wenigen Wochen seinen Falken auf der Jagd
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