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Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst

Titel: Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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daß sie ihn in e i ner Mischung aus Scheu und Ehrfurcht musterten. Der Anfü h rer der Fremden, ein großer schwarzbärtiger Kerl, flüsterte e t was zur Bardin, woraufhin Belliesa leise lachte.
    »Nein, das ist er nicht. Es ist sein Gefährte, Golo.« Sie zeigte mit theatralischer Geste auf den Bärtigen. »Darf ich euch b e kanntmachen! Vor dir steht Claudius Marcellinus. Wenn man ihm glaubt, waren seine Ahnen einst bedeutende Senatoren in Rom. Mit Sicherheit jedoch ist er der gerissenste Pferdehändler des nördlichen Galliens. Wann immer du einen Gaul brauchst, ist Marcellinus dein Mann, Golo. Er versteht sich darauf, wie aus dem Nichts Pferde herbeizuzaubern.« Belliesa bedachte den hünenhaften Kerl mit einem schelmischen Blick. »Freilich ist es manchmal nicht allzu klug, Fragen über die Herkunft der Tiere zu stellen oder allzu lange an dem Ort zu verweilen, wo man sie von Claudius gekauft hat, aber diese Sorge haben wir heute ja nicht. Mein Freund versteht sich übrigens genausogut darauf, Pferde verschwinden zu lassen. Wenn wir sie ihm anvertrauen, brauchen wir uns keine Gedanken mehr darüber zu machen, daß die Franken uns auf die Spur kommen werden. Im U m gang mit Reittieren verfügt Claudius geradezu über magische Fähigkeiten. So konnte ich selbst schon miterleben, wie ein Hengst, dessen er sich angenommen hatte, über Nacht von e i nem Fuchs zu einem Rappen wurde.«
    Golo musterte den Kerl mißtrauisch. Der Römer hatte Hände, groß wie Heugabeln, und ein Kreuz wie ein Stier. Seine Augen waren schwarz wie die Nacht, und zwischen den buschigen Locken, die ihm bis in den Nacken fielen, schimmerte ein go l dener Ohrring. Bei ihm hätte er wohl kaum ein Pferd gekauft, dachte Golo bei sich. »Wieviel hat er geboten?«
    »Nun, den Umständen entsprechend, war sein Preis angeme s sen. Ich habe ein gutes Stück Silber bekommen.« Die Bardin strich mit flüchtiger Geste über zwei pralle Geldkatzen, die an ihrem Gürtel hingen. »Außerdem hat er uns reichlich Proviant mitgebracht. Geräucherte Aale und Schinken, frische Daue r würste, Salz, Hirse und auch etwas Wein. Alles ist gut verpackt und wird dem Regen widerstehen. Wir können uns nicht b e klagen.«
    Claudius war zu den Pferden getreten, und Golo beobachtete mißbilligend, wie der Kerl seiner Stute über die Nüstern strich. Sie schnaubte leise. Fast sah es aus, als habe sie schon begriffen, daß dieser zwielichtige Roßtäuscher ihr neuer Herr sein würde. Der junge Ritter fragte sich, woher Belliesa solche Halunken wie Claudius und seine Gefolgsleute kannte. Keiner der Mä n ner, die mit dem hünenhaften Römer gekommen waren, sah vertrauenerweckender als ihr Anführer aus.
    Nachdem er alle Pferde kurz gemustert hatte, wandte sich Claudius wieder zu ihnen um. »Gute Ware, meine kleine Nac h tigall. Sie sind ein wenig erschöpft, aber sonst in guter Verfa s sung.« Er hob seine riesenhafte Pranke und streckte sie Belliesa entgegen. »Was mich angeht, ist der Handel perfekt.«
    Die Bardin schlug ein. »Es ist immer wieder ein Freude, mit dir Geschäfte zu machen. Leider bleibt keine Zeit, länger zu verweilen. Du weißt ja, daß wir uns von den Pferden trennen, weil wir gewisse Schwierigkeiten haben.«
    Golo schluckte. Hatte Belliesa diesem Schurken etwa erzählt, daß ihnen die Franken im Nacken saßen? Wie konnte sie Cla u dius so sehr vertrauen? Wahrscheinlich würde er sie schon in der nächsten Stunde an die Garnison in der Stadt verraten.
    Die Gefährten des Pferdehändlers überreichten ihnen die schweren Tuchsäcke mit den Lebensmitteln, und sie trennten sich ohne ein weiteres Wort. Mit langen Schritten eilte die Ba r din zwischen den dunklen Bäumen den Berghang hinauf, so daß der junge Ritter Mühe hatte, mit ihr Schritt zu halten.
    »Warum hast du ihm gesagt, daß wir vor den Franken flüc h ten?« fragte Golo, als die anderen außer Hörweite waren.
    »Weil Claudius nicht dumm ist! Wer trennt sich schon von seinen Pferden und reist weitab von allen Wegen, wenn er nicht einen guten Grund dazu hat? Es wäre töricht gewesen, ihm e t was vorzumachen. Außerdem weiß er auch, daß Ricchar ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt hat.«
    »Und was macht dich so sicher, daß er uns nicht verraten wird?«
    Die Bardin drehte sich halb zu Golo um und blickte ihn ernst an. »Vertrau mir! Er kann nicht! Mehr kann ich dir dazu jetzt noch nicht sagen.«

    Nach zwei weiteren Regentagen war das Wetter endlich besser geworden. Seit sie sich von den Pferden

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