Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
pelzgesäumten und mit Stick e reien verzierten Umhang aus schwerer Wolle.
Der Eber fluchte leise. »Verdammt, der wäre ich gerne lebe n dig begegnet. Die sieht aus, als hätte man mit ihr eine Menge Spaß haben können, um sie dann anschließend für ein dickes Lösegeld an ihren Vater zurückzugeben.«
Drustan blickte auf. Eine tiefe Falte teilte seine Stirn. Er hatte der Toten eine Hand unter den Umhang geschoben. »Wie es scheint, hast du sie nur knapp verpaßt. Sie ist noch warm. Aber ihr Herz hat aufgehört zu schlagen und … « Erschrocken blickte er zu der Toten hinab.
Volker machte einen Schritt zurück. Der Fährtensucher mac h te ein Gesicht, als habe er dem Leibhaftigen ins Antlitz gesehen. »Da bewegt sich etwas … « Der Hagere beugte sich tiefer über den Leichnam. Keuchend schob er die Frau zur Seite. Immer deutlicher war das erstickte Wimmern zu hören. Dann hielt der Mann ein Knäuel aus Fellen und zerrissenen Decken hoch. »Es lebt!«
Zwischen den Lumpen lugte ein faltiger Kinderkopf hervor. Jetzt schlug auch Volker ein Kreuz. Das Gesicht des Kindes war so rot, als habe man seinen Kopf in kochendes Wasser getaucht. Es öffnete den Mund, doch statt des Geschrei eines Kleinkindes kam nur ein leises Wimmern über seine Lippen.
Der Fährtensucher legte es auf den Leib der toten Frau und schlug die Felle zurück. Der ganze Leib des Kindes war kreb s rot. Es hatte kurze schwarze Haare und dunkler Flaum wuchs auf seiner Brust und an seinen Armen. Volker konnte sich nicht erinnern je zuvor in seinem Leben ein so haariges Kind gesehen zu haben. Etwas stimmte hier nicht! Warum war das schwäch s te Geschöpf von allen nicht in der Kälte zugrunde gegangen? Nach seiner Größe zu urteilen konnte das Kind höchstens drei Monate alt sein.
Der Fährtensucher griff der blonden Frau unter die Kleider und nickte dann. »Sie trägt Milch in den Brüsten. Sie muß die Mutter gewesen sein. Der Kerl an ihrer Seite ist wohl ihr B e schäler. Die beiden haben das Pferd getötet, als der Sturm b e gann, und es als Windschutz genutzt. Sie müssen da schon sehr entkräftet gewesen sein. Dann haben sie das Kind zwischen sich genommen, um es mit ihren Körpern zu schützen. Die zwei sind weniger als eine Stunde tot.«
Der Spielmann musterte angeekelt die rote Haut des Säu g lings. Was war das? Er dachte wieder an die Hölle. Wenn diese Winterlandschaft voller Leichen das Reich Satans war, dann konnte das einzige, was hier überlebte, nur ein Geschöpf der Hölle sein!
»Legt das Kind zurück!« stieß Volker keuchend hervor. »Es wird uns alle ins Unglück reißen. Seht nur seine Haut! Es kommt direkt aus dem Tartarus!«
Alle drehten sich zu ihm um. Einigen der Männer konnte der Spielmann ansehen, daß sie seiner Meinung waren. In ihren Blicken lag das blanke Entsetzen.
Drustan beugte sich zu dem Kind und strich über dessen Brust. Dann schüttelte er den Kopf. »Es ist nicht verflucht. Sie haben es mir einer Salbe eingestrichen, bevor sie starben. Die Zaubersalbe zieht das Blut in die Haut und läßt einem warm werden. Ich habe selber einmal eine solche Salbe von einer Kräuterfrau bekommen.«
»Genug geschwätzt! Manu!« Der Eber winkte einem seiner Männer. »Du hattest doch etwas Milch mitgenommen. Mach ein Feuer und erwärme sie. Der kleine Kerl braucht was zu e s sen. Sonst stirbt er uns, noch während wir hier um ihn stehen und reden. Drustan, wickele ihn wieder in die Lumpen ein.«
Der Gesetzlose hob den kleinen Jungen hoch und musterte ihn. »Du bist der härteste von allen. Nichts kann dich umbri n gen.« Der Eber grinste. »Du bist wie ich. Ich werde dich b e schützen.«
»Du holst das Verderben in dein Dorf, wenn du ihn mi t nimmst!« ereiferte sich Volker. »Laß ihn zurück!«
Der Anführer der Gesetzlosen setzte sich auf den Kadaver des toten Pferdes und wiegte das Kind im Arm. Seine Männer schwiegen. Keiner wagte es, sich gegen ihn zu stellen, und doch konnte Volker den Räubern ansehen, daß auch ihnen das Kind unheimlich war.
Manu brachte dem Eber ein wenig Milch in einer flachen Schüssel. Er tauchte einen Finger hinein und schob ihn dann dem schwachen Kind in den Mund. »Trink! Du mußt wieder zu Kräften kommen, wenn du dem Tod trotzen willst!«
Erst wimmerte der Junge leise, doch nachdem der Eber ihm den Kopf hob, konnte er in kleinen Schlucken aus der Schale trinken.
»Ich habe sie gefunden!« erklang Belliesas Stimme von weiter vorne in der Waldschneise. Die Bardin winkte ihnen
Weitere Kostenlose Bücher