Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
aufgeregt zu. Während sich fast alle Männer des Ebers um ihren Anführer geschart hatten, war sie einfach weitergegangen. »Überlebe n de!«
Der Gesetzlose warf Volker einen spöttischen Blick zu. »Er kommt also direkt aus dem Tartarus, weil er die Kälte überlebt hat. Dann haben wir jetzt wohl ein ganzes Nest voller Teufel und Dämonen aufgetan.«
Dem Spielmann war übel. Sogar das Kind schien ihn auszul a chen. Sein Gesicht war zu einer häßlichen roten Maske verzerrt. Volker begann am ganzen Körper zu zittern. Jetzt konnte er das Pochen in seinen Fingern so deutlich wie seinen Herzschlag spüren. Er blickte auf seine bandagierten Hände. Schlangen wanden sich dort, wo seine Finger hätten sein sollen.
Das konnte nicht sein! Er biß sich auf die Lippen. War er denn verflucht? Auch der Schmerz in der Lippe ließ die Schlangen nicht verschwinden. Waren sie vielleicht doch kein Trugbild? Ängstlich steckte er seine Hände unter den Mantel und sah sich nach den anderen um. Das Gesicht des Ebers erschien ihm jetzt so rot wie das des Kindes, das der Gesetzlose auf dem Arm hielt. Und was war das? Unter dem Umhang des Räubers lugte ein schuppiger Schwanz hervor.
»Vade retro, satanas.«
»Was sagst du?«
»Vade retro, satanas! Weiche von mir, Teufel!« Volker machte einen Schritt zurück. Auch die Gefährten des Ebers waren Te u fel. Er konnte es jetzt deutlich sehen. Er hätte niemals hierhe r kommen sollen. Sein Weg hatte ihn nicht in die Berge, sondern geradewegs in die Hölle geführt.
»Was ist mit dir?«
Volker drehte sich um und begann zu laufen. Fast bis zu Knien versank er im Schnee. Mühsam kämpfte er sich voran. Nur nicht zurückschauen! Wenn er sie noch einmal sehen wü r de, dann kostete ihn das den Verstand. Dessen war er sicher.
»Haltet ihn! Er ist von Sinnen!« erklang hinter ihm die Stimme des Gesetzlosen.
Der Spielmann strauchelte. Etwas Festes war im Schnee ve r borgen gewesen. Er stürzte auf eine schwarze, grinsende T o desgrimasse zu. Der Leichnam streckte ihm die steifgefrorenen Arme entgegen, um ihn in der Hölle willkommen zu heißen.
16. KAPITEL
olo konnte nicht schlafen. Er stand am Fenster seiner kleinen Kammer und blickte auf die Stadt. Er war im Haus eines re i chen Händlers untergebracht, und die ganze Familie bemühte sich darum, ihm all seine Wünsche von den A u gen abzulesen. Es war lange her, daß er so oft hintereinander so gut gegessen hatte wie hier in Icorigium. Früher hatte er sich vorgestellt, daß dies alles sei, was er brauchte, um glücklich zu sein. Jetzt wußte er, daß er sich geirrt hatte.
Die verschneite Stadt sah bei Nacht sehr friedlich aus. Man sah ihr nicht an, daß sie in ihren Mauern mehr als tausend Freiwillige der Rebellenarmee beherbergte. All diese Krieger machten ihm Kopfzerbrechen. Die Vorräte gingen langsam zur Neige. Bald würde er das Korn in den Speichern der Stadt b e schlagnahmen müssen. Noch ein paar Wochen, und die Städter würden Ricchar freiwillig die Tore öffnen, nur um die Rebellen wieder loszuwerden. Er mußte etwas unternehmen, doch er wußte nicht, was. Die Ritter, die Volker zurückgelassen hatte, waren keine Hilfe. Ihnen fiel nichts Besseres ein, als Männer in die umliegenden Dörfer zu schicken, um dort das Vieh forttre i ben zu lassen. So konnte es nicht weitergehen!
Golo fluchte. Wenn nur Volker endlich zurückkäme! Elf Tage war er nun schon verschwunden. Das Dorf des Ebers war nicht mehr als zwei Tagesmärsche entfernt. Durch den hohen Schnee mochte es vielleicht auch vier Tage dauern, um es zu erreichen. Der Spielmann müßte längst wieder zurück sein! Hätte er nur einen Führer mitgenommen! Ihm mußte etwas passiert sein. Anders konnte Golo es sich nicht erklären, daß er immer noch nichts von Volker gehört hatte. Wäre der Barde wohlbehalten im Bergdorf angekommen und aufgehalten worden, hätte er doch wenigstens einen Boten geschickt. Ob der Eber Volker umgebracht hatte? Nein! Es mußte etwas anderes geschehen sein. Golo konnte sich nicht vorstellen, daß der Spielmann tot war. Verletzt vielleicht oder in Schwierigkeiten, doch tot? Nein. Volker war ein Held, und Helden starben nicht einfach so.
Andere hingegen … Er mußte an die Späher denken, die er ausgeschickt hatte, um Ricchars Kriegsvorbereitungen ausz u kundschaften. Keiner von ihnen war zurückgekehrt. Was ging in den Städten am Rhein nur vor sich? Und wie schaffte es der Graf, alle Späher und Spitzel abzufangen. Was wollte er um jeden
Weitere Kostenlose Bücher