Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
daß die Seen, wenn das Eis auf ihrer Oberfläche geschmolzen war, an manchen Tagen so schwarz wie Kohle waren. Man sagte sich, sie seien Pforten in die Hölle, und manchmal, an windstillen Tagen, würde ihre Oberfläche von Gestalten, die aus der Tiefe emporstiegen, zu schäumenden Wellen aufgewühlt.
Wo Mechthild wohl steckte? Als die Gruppen für den Angriff eingeteilt wurden, war sie plötzlich verschwunden. Golo hatte versucht, ihr auszureden, an der Schlacht teilzunehmen. Sie war mittlerweile eine recht passable Schwertkämpferin gewo r den, doch in einer Schlacht zu kämpfen war etwas anderes, als ein Duell auszutragen. Hier gab es keine Regeln mehr. Selbst die besten Schwertkämpfer waren nicht vor einem Schlag in den Rücken oder einem Pfeil aus dem Hinterhalt sicher. Mech t hild hatte genau gewußt, daß ihm keine Zeit mehr bleiben würde, nach ihr zu suchen. Es war ein Fehler gewesen, ihr das Kämpfen beizubringen …
Am Südende des Totenmaars ertönte ein Horn. Unheimlich hallte der Klang über das Eis. Für einen Herzschlag schienen alle anderen Geräusche verstummt zu sein. Golo sprang auf. Das war das Zeichen! Er riß seine Axt aus dem Gürtel. Rechts und links neben ihm stürmten schon die ersten Männer den Hang hinauf. Der hohe Schnee ließ sie immer wieder stra u cheln. Fluchend kämpfte auch Golo sich vorwärts. Ein Hagel von Pfeilen ging auf die Franken nieder. Das Krachen berste n der Speerschäfte, die Schreie Sterbender und Verwundeter und das scharfe Klingen von Metall, das auf Metall schlug, lösten die winterliche Stille ab. Die Anführer der Franken hatten sich inzwischen vom ersten Schreck erholt. Mit lauten Stimmen übertönten sie das Schlachtengetöse und versuchten, ihre Mä n ner in Formation zu bringen, um den Angriff abzuschlagen. Die Rebellen kamen jetzt von allen Seiten. Endlich war auch Golo auf der Straße.
»Keine Überlebenden!« gellte der Schlachtruf der Freischärler.
Der junge Ritter bückte sich und hob den großen Rundschild eines der toten Franken auf. Neben ihm stürzte ein junger Mann, der mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen blutigen Armstumpf umklammerte. Golo wandte sich ab. Das war nicht die Zeit, Mitleid zu haben. Wenn der junge Kerl die Schlacht überleben sollte, konnte man sich immer noch um ihn kü m mern.
Wie aus dem Nichts erhob sich ein Krieger mit einem schwa r zen Stierkopf auf dem Schild vor ihm. Nach kurzem Schlaga b tausch drehte Golo ihm mit der Axt das Schwert aus der Hand. Offenbar hatte der Krieger nicht damit gerechnet, unter den Bauern und Holzfällern auf einen gleichwertigen Gegner zu treffen. Mit einem Rückhandschlag traf er den Franken am Knie. Der Soldat strauchelte. Noch einmal senkte sich die Axt. Ohne dem Sterbenden einen weiteren Blick zu schenken, mac h te sich Golo auf die Suche nach einem neuen Gegner. Aus den Augenwinkeln sah er, wie einige der Bauern flohen. Doch die meisten begegneten mutig den Schrecken der Schlacht.
Ein Speer durchbohrte Golos Schild. Ein paar Schritt links bi l dete ein kleiner Trupp Franken einen Verteidigungsring. Einer der Krieger hatte den Wurfspieß geschleudert. Der Ritter ve r zog keine Miene. Mit einem Axthieb zersplitterte er den Schaft der Waffe. Er würde sich nicht reizen lassen! Die Franken jetzt anzugreifen wäre töricht. Sie gaben sich gegenseitig Deckung. Er würde warten, bis Speerwerfer und Bogenschützen den Kampfesmut der Franken gebrochen hatten und … Nein! Auf der anderen Seite hatten Belliesa und Mechthild den Sattel e r klommen. Ein kleiner Trupp Bergarbeiter mit schweren Spit z hacken begleitete sie. Die Bardin zog ihr Schwert und rief e t was, was Golo nicht verstand. Dann stürmte der Trupp den Franken entgegen.
Der junge Ritter fluchte. Er mußte Mechthild beschützen. Sie war zu klein und zu leicht. Ein erfahrener Krieger würde sie einfach mit seinem Schild niederstoßen und dann abstechen. Dazu durfte es nicht kommen. Golo faßte seine Axt fester und rannte los.
Müde schleppte sich Volker durch den aufgewühlten Schnee. Am Horizont waren die Wälle von Icorigium zu sehen. Noch zwei Meilen und sie hätten es geschafft. Fast eine Woche war vergangen, seit er mit seiner Armee die Stadt verlassen hatte. Der Angriff war nicht so erfolgreich verlaufen, wie er sich e r hofft hatte. Zunächst war es ihnen zwar gelungen, die Kolonne der Franken zu zersplittern, und bei dem ersten Angriff waren viele Feinde umgekommen, doch die Überlebenden hatten sich dann zu Gruppen
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