Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin
sollte.
Die Irritation des schwarzen Kriegers dauerte nur einen Herzschlag lang. Dann duckte er sich unter zwei parallel geführten Schwerthieben, rollte sich über den Rücken ab, sprang zwei Schritte entfernt auf die Beine und warf den flatternden Umhang zurück. Seine beiden Gegner wechselten einen erstaunten Blick, dann zuckte die Klinge ihres Feindes heran und hieb dem einen den Kopf von den Schultern. Der andere taumelte voller Entsetzen zurück, fing sich wieder und warf sich dem Angreifer entgegen. Der Krieger ließ dem Plünderer gerade genug Zeit, seine Niederlage zu begreifen, dann rammte er ihm das Schwert durch die Brust.
Danach blickte er sich gelassen um. Der Betrunkene mit der zitternden Klinge stand unverändert da und starrte den Sieger entgeistert an. Allmählich begriff er, was um ihn herum geschehen war.
»König Pest?« entfuhr es ihm, ein zischender, zweifelnder Laut wie der letzte Atemzug eines Sterbenden. Dann wirbelte der Söldner herum und ergriff die Flucht.
Der Mann in Schwarz schleuderte sein Schwert in einem geraden, gezielten Wurf. Es sollte nicht töten, nur aufhalten. Tatsächlich geriet es zwischen die Unterschenkel des Fliehenden, zerschnitt ihm die Haut und ließ ihn schreiend zu Boden poltern. Unweit eines toten Mädchens schlitterte er mit Brust und Gesicht über den blutigen Staub, rollte mit fuchtelnden Armen auf den Rücken und starrte dem Krieger voller Todesangst entgegen.
Der schwarze Ritter blieb breitbeinig vor ihm stehen und hob sein Schwert vom Boden. »Verzeih mir eine Frage«, bat er. Der Helm verwandelte seine Stimme in ein dumpfes, beängstigendes Dröhnen.
Die Lippen des Plünderers bebten, als sie stumme Worte formten. Nichts als heiseres Röcheln drang aus seiner Kehle, rauhes, sinnloses Keuchen. Seine Augen waren groß und weiß wie Schneebälle.
Der Krieger stellte seine Frage, aber es dauerte eine Weile, ehe er eine verständliche Antwort erhielt. Dann rammte er seine Klinge senkrecht und mit beiden Händen in den Brustkorb des Söldners, wartete geduldig, bis kein Leben mehr in ihm war.
Zuletzt rief er sein Roß herbei, schwang sich in den Sattel und führte aus dem Dickicht ein zweites Pferd, das er unweit des Dorfes im Wald entdeckt hatte. Beide lenkte er durch die Furt gen Osten. Die Strömung verwischte alle Hufspuren im Schlamm, und bald darauf war es, als habe weder Mensch noch Tier jemals diesen Weg beschritten.
Jodokus hielt sein Versprechen, wenn auch erst, nachdem Kriemhild ihm den Rest der Nacht über wortreich zugesetzt hatte. Sie war neugierig, war es immer gewesen, doch unter den gegebenen Umständen drängte es sie ganz besonders, die Wahrheit über den buckligen Sänger zu erfahren; sie hoffte, daß es sie vom brennenden Gefühl der Schuld ablenken würde, das ihr die Brust zusammenschnürte. Sie hatte Mühe durchzuatmen, und gelegentlich überkamen sie kurze Anfälle von Schüttelfrost. Zuerst hatte sie geglaubt, es seien die Vorboten der Pest, die sich ihrer bemächtigten, doch dann wurde ihr klar, daß etwas in ihr selbst es war, das sie derart empfinden ließ. Etwas in ihrem Kopf. Der Gedanke an das, was sie getan hatte. Die Fessel ihrer Sünde.
Immer wieder fragte sie sich, ob die Söldner das Dorf schon erreicht haben mochten, und jedesmal hoffte sie, daß den Bewohnern vielleicht Gott, und wenn nicht er, dann der Zufall zur Hilfe kommen würde. Aber sie wußte auch, daß sie sich damit nur selbst belog, und als der Morgen heraufdämmerte, da ahnte sie, daß das Schicksal des Dorfes besiegelt war. Spätestens jetzt würde alles vorüber sein.
Endlich, als der erste Sonnenstrahl ihre Nasenspitzen kitzelte, ergriff Jodokus das Wort. Er begann seine Erzählung, ohne Kriemhild anzusehen, blickte nur verbissen geradeaus, als hoffte er allein dadurch, den Verlauf der Heerstraße zu verkürzen.
»Ich bin kein guter Sänger, fürchte ich, aber auch kein allzu schlechter. Ganz gewiß aber bin ich ein viel besserer Dieb als die meisten anderen meiner Zunft.« Welche Zunft er damit meinte, die der Diebe oder Sänger, ließ er offen; er erwähnte beides, als gehörte das eine ganz selbstverständlich zum anderen.
»Ich werde dir keine meiner Methoden verraten, du hast auch so schon genug Unheil angerichtet«, fuhr er fort, und Kriemhild schenkte ihm einen vernichtenden Blick. »Sag, hast du je vom Dichtermet gehört?«
Sie überlegte kurz, schüttelte dann den Kopf. »Was soll –«
»Der Dichtermet«, unterbrach er sie rasch, »hat
Weitere Kostenlose Bücher