Niccolòs Aufstieg
Rest der Söldner zu holen. Und vielleicht einige Bewaffnete, denen Claes’ regelmäßige Parodien von Astorre fehlen würden: wie der sich seinen Weg durch die europäischen Herzogtümer erkämpfte, schreiende Köche einsammelte, die Kalbssülze, Räucherschinken und gehacktes Schweinefleisch so zubereiten mußten, wie es ihm schmeckte, bis es kein Zelt mehr gab, das groß genug war für seine Köche, seine Latrinen oder seinen Bauch. Claes konnte auch Lionetto hervorragend imitieren, was Tobias nur teilweise schätzte.
Hauptmann Lionetto war in Mailand und bereits mit seinem ehemaligen Arzt in aller Öffentlichkeit aneinandergeraten. Lionetto trug einen neuen, mit Haselmausfell gefütterten Umhang und war mit bunten Steinen behängt, die diesmal eindeutig nicht aus Glas waren. Irgendeiner war sehr freundlich zu Lionetto, und Tobias vermutete, daß es nicht Piccinino war, in dessen Diensten er stand. Auch nicht die Medici, über die Lionetto zwei haarsträubende Geschichten erzählt hatte und von denen er nur mit großer Verachtung sprach. Vor allem, nachdem ihm zu Ohren gekommen war, wo Astorre sein Geld angelegt hatte.
Tobias hatte Astorre von dem Zusammenstoß erzählt, weniger um Astorres Vertrauen in die Medici zu erschüttern, als um seinen Schutz zu erbitten, falls Lionetto drei Männer mit Beilen hinter ihm, herschicken sollte. Dieser Gedanke verdarb ihm nämlich die Freude daran, über Weihnachten in Mailand zu bleiben, und er hatte sich so bemüht, dies zu arrangieren. Auch darüber hatte sich Julius beklagt.
Es war Tobias, der daran erinnerte, daß Bruder Gilles’ Zustand ihm gegenwärtig jedes Reisen untersagte. Auch wenn Hauptmann Astorres Interesse nachließ, mußte einer das Bein des armen Kerls versorgen. Tobias übernahm es, das zu tun und den Mönch dann bei den Medici in Florenz abzuliefern. Danach wollte er zu Astorre, Julius und den anderen in Neapel stoßen, wo sie umgeben von Blutsaugern aller Art den Winter damit verbringen würden, fett zu werden. Zu der Zeit wären die ersten Kämpfe des Frühjahrs bereits nahe. Astorre würde kämpfen, Julius würde die Verwundeten zählen und er, Tobias, würde sie gesundpflegen. Was sprach dagegen?
»Es ist dieses Mädchen«, hatte Julius gesagt. »Stimmt’s? Bei Gott, du bist genauso verdorben wie Claes. Ihn sehe ich auch nie.«
»Das ärgerliche an dir ist«, hatte Tobias gesagt, »daß du glaubst, keiner außer dir arbeite. Mädchen? Claes ist im Castello und lernt, ein kleiner Soldat namens Niccolò zu werden. Darauf hat der Kanzler des Herzogs bestanden, wenn er die herzoglichen Sendungen beschützen will. Und ich? Ich gehe morgen mit Thomas und Manfred nach Piacenza. Wir müssen Waffen für Fleury bestellen, und ich kaufe Faustfeuerwaffen für Astorre.«
»Das hat er mir nicht gesagt«, wunderte sich Julius. »Aus der condotta- Kasse?«
»Vermutlich. Entweder das, oder Claes spielt wieder um Geld Karten.« Tobias schlug dem Rechtskonsulenten auf die Schulter, die so kräftig war, daß ihm die Hand weh tat. Auf dem ganzen Weg bis zur Tür schüttelte er sie gedankenverloren und sah zufrieden aus, während Julius dasaß und ihm nachstarrte.
KAPITEL 15
Die Gerüchte, die mit nordwärts eilenden päpstlichen Geandten über die Alpen reisten, erreichten Brügge noch vor Thomas und Claes. Sie wußten unter anderem zu berichten, daß der Hauptmann Astorre dem Haus Charetty einen vorteilhaften Vertrag gesichert hatte und bereits seine Soldaten nach Süden beorderte. Anderen, weniger glaubhaften Aussagen zufolge hatte das Unternehmen außerdem einen Vertrag über einen Kurierdienst zwischen Flandern und Italien an Land gezogen, der von - aber nein. Die höchsten Adeligen, die bedeutendsten Handelsherren Norditaliens sollten ihre Sendungen ausgerechnet Claes anvertrauen, diesem leichtsinnigen Satansbraten, der gerade erst vor drei Monaten mit der kleinen Gesellschaft aus Brügge fortgezogen war? War das glaubwürdig?
Felix de Charetty, der mit seinen Schwestern in Brügge festsaß, während seine Mutter hin und her jagte, um in Löwen die Geschäfte in Gang zu halten, war einer der ersten, dem diese Neuigkeit zu Ohren kam, und er glaubte sie unbesehen. Es war typisch Claes. Die herrlichsten Dummheiten und tollsten Streiche, die sie sich geleistet hatten, waren stets Claes’ Einfälle gewesen. Er beneidete die Kuriere um den Spaß, den sie haben würden, ehe ihnen am Ende die Felle wegschwammen wie ihm selbst damals bei dem Waterhuis-Ulk. Claes
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