Niccolòs Aufstieg
muß mich nicht sofort festlegen. Die Freunde von Phokäa erwarten erst im Frühjahr meinen Bericht.«
Das war klug. Das Angebot gefiel Tobias. Es war gar nicht nötig, bereits eine definitive Antwort zu geben. Und so ging er über die Alaun-Frage hinweg, als ob es sie nicht gäbe. »Sie sollen jetzt erfahren, daß ich mit deinem Kurierdienst nichts zu tun habe.«
»Ich verstehe. Das läßt sich leicht machen.«
»So kannst du also alle Gewinne behalten. Was willst du mit dem Geld anfangen?«
»Von den Leuten in Brügge erzwingen, daß sie sich vor mir verneigen, statt mich zu verprügeln. Und etwas Geld anlegen.«
»Ach?« Tobias erhob sich von dem Bett und glättete seine zerknitterten Kleider. »Etwas Grundbesitz irgendwo? Einen Anteil an einer Weinschenke?«
»Beides. Was haltet Ihr von Faustfeuerwaffen?«
Tobias hörte auf, Fusseln von seinem Saum zu streichen. »Willst du Kaufmann werden?«
»Ach, das bin ich schon. Das Geld gehört dem Haus Charetty. Hauptmann Astorre sollte Faustfeuerwaffen haben. Und für noch ein paar Dinge wäre ein Kredit nützlich, abgesehen vom Neuerwerb von Grundbesitz. Löwen braucht mehr Kapital.«
»Marian de Charetty? Du tust das alles für … Ist sie bereit, Geld aus einer solchen Quelle anzunehmen?«
»Ein Vertrag über einen Kurierdienst ist doch nichts Schlechtes«, sagte Claes reglos.
»Und sie weiß nichts von dem Alaun? Nur der Grieche und Anselm Adorne? Über Adorne muß ich mich wundern. Ein Mann mit einer eigenen Kirche, der ein türkisches Monopol schützt. Du willst doch nicht bestreiten, daß es das ist, auch wenn Venezianer die Mine betreiben?«
Und noch ein Gedanke kam ihm. »Herrgott, wenn das wahr ist, dann wird das Monopol auf Kosten des Papstes geschützt?«
Er hoffte, er sehe entsetzt aus. Fürchtete aber, eher wie Claes auszusehen, der erwiderte: »Ich habe nicht behauptet, daß Adorne Einzelheiten kennt. Außerdem gelingt es meist, Geschäft und edle Gesinnung zu verbinden. Es hat geklopft.«
Tobias hatte es gehört. »Du hast es doch nicht so eingerichtet …«
Claes stand auf. Groß, braungebrannt, heiter - er würde jede körperliche Herausforderung bestehen, die Tobias kannte. Er konnte sich vorstellen, daß Claes sich stundenlang fröhlich mit einem oder mehreren Mädchen abgab. Da standen zwei Betten. Perspektiven von unendlicher Peinlichkeit taten sich vor ihm auf.
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte Claes. »Niemand wird Euch gegenüber je wieder Alaun erwähnen, wenn Ihr das Thema nicht selbst anschneidet. Und soweit Ihr wißt, betreibe ich einen durchaus respektablen Kurierdienst. Ich gehe jetzt in den Gasthof. Bleibt hier, wenn Ihr wollt.«
Der gesellschaftliche Status mußte irgendwie gewahrt werden. »Das kommt darauf an«, sagte Tobias. Er schlenderte gemächlich zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand eine reizende kleine Person mit einer Korallenkette und einer entblößten Brust. »Cateruzza!« rief Tobias.
»Zweite Spalte von links, dritter Name von oben«, sagte Claes. »Es heißt, Ihr seid früher von Pavia herübergekommen, nur um sie zu sehen. Ich dachte, Ihr würdet gern erfahren, daß sie immer noch Geschäft und edle Gesinnung verbindet. Ich lasse Euch die Laterne hier.«
Tobias blieb an der Tür zum Verkaufsraum stehen und sah zu wie Claes seinen Weg an den Kräutern vorbei fand und hinausging.
Tobias nieste.
»Gesundheit!« sagte Cateruzza melodisch. Das Niesen schien ihre zweite Brust entblößt zu haben.
Er schloß die Tür. Er fühlte sich überrumpelt. Er fühlte sich überlistet. Er fühlte sich, als wollte er all die Gesundheit, die ihm in der letzten halben Stunde gewünscht worden war, sofort - ja, schneller als sofort - für den nackten, ausrasierten Schoß von Cateruzza aufwenden.
Von da an begann Tobias Mailand zu genießen. Er sah Claes danach noch ein paarmal, und sie besprachen praktische Dinge. Mädchen, Alaun und Spionage wurden nie erwähnt.
Julius ärgerte sich über den Kurierdienst. Selbst als ihm erklärt wurde, wieviel Geld dadurch in die Kasse fließen würde, ärgerte er sich noch. Er hatte erwartet, daß Claes mit ihnen nach Neapel gehen würde, und begriff nicht, wie Claes, der Astorres Heerschar zugeteilt worden war, sich plötzlich entschließen konnte, etwas ganz anderes zu tun. Und es ärgerte ihn um so mehr, als Astorre offenbar nichts dagegen hatte.
Der einzige, der etwas dagegen hatte, war Thomas, der nun in Begleitung von Claes seine Reise nach Norden antreten mußte, um den
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