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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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ihrem Tonfall und war kühl und starr. Neben ihr saß ein Mann. Er lächelte. »Vielleicht wirst du ja behaupten, du wüßtest nicht, wer ich bin«, sagte er.
    Es bestand kein Zweifel, wer das war, obwohl er ihn noch nie gesehen hatte. Ein Mann von kaum mehr als fünfzig Jahren, aber von so gewaltigem Körperbau und so dick, daß er aus dem Korbsessel quoll. Sein mit Marderfell gefüttertes Gewand fiel bis auf den Boden. Seine hängenden Wangen versanken in Schichten von Musselin, Wattierung und Pelz. Seinen Kopfschmuck, ein mit Stoff gefülltes doppeltes Wagenrad, krönte ein emailliertes Wappen, das am unteren Rand mit Edelsteinen besetzt war. Dasselbe Wappen hing an einer juwelenbesetzten Halskette. Das Gesicht darüber war von gesunder Farbe und wirkte riesig, der Mund war klein, die Augen funkelten.
    Jordan, Vicomte de Ribérac, der wohlhabende und mächtige Kaufmann aus Frankreich, der, wie Claes wußte, am Herbstbankett für den Kommodore der Flandern-Galeeren teilgenommen hatte. Ja, es bestand kaum ein Zweifel: der französische Vater des schottischen Lord Simon.
    Niemand sprach. Die Augen des dicken Mannes ruhten auf ihm und funkelten immer noch. »Ihr seid wohlbekannt, Monseigneur«, sagte Claes schließlich.
    Der dicke Mann wandte sich an die Witwe. »Er verzieht keine Miene! Seht Ihr? Ich lobe Eure Erziehung, Demoiselle. Der junge Mann ist ein Muster an Gelassenheit. Er hört, wie man sagt, auf den guten alten Bauernnamen Claes.«
    Die funkelnden Augen sahen Marian de Charetty fragend an, und feindselig erwiderte sie den Blick. Sie trug ein Kleid, das steif wie Leder war, und ihr Haar war in eine Art Behältnis eingeschlossen. Ihr Gesicht war farblos bis auf die rosigen Wangen, über denen ihre blauen Augen wie Lapislazuli glitzerten. »Bauernname?« sagte sie. »Claes ist nur eine Kurzform von Nicholas.«
    »Ihm drei Silben zuzuteilen, ginge meines Erachtens auch zu weit. Die flämische Form ist für Handwerker doch gut genug.«
    »Es ist richtig, unsere Handwerker sind mehr wert als Aristokraten anderer Länder, aber Claes ist keiner mehr.«
    Sie saß reglos da und hielt ihren Ärger in Schach, ohne ihn zu verbergen. Claes starrte sie an, dann wandte er seinen Blick dem Mann zu. Dem älteren, gefährlichen Mann.
    »Ist er denn seit seiner letzten Großtat zum Bürger gemacht worden? Einige seltsame Leute haben ihn beauftragt, Botengänge für sie zu erledigen. Kannst du schnell laufen, Junge?«
    »Wenn ich muß.«
    »Du überbringst Briefe für die Medici und andere. Du machst sie doch auf nicht wahr?«
    »Das kann ich nicht, denn sie sind verschnürt und die Fäden versiegelt.«
    Die kalten Augen starrten ihn an und glitten dann abschätzig über seine herabhängenden Hände. »Ich will’s dir glauben. Und würdest du sie öffnen, könntest du sie natürlich nicht lesen, oder?«
    Die Demoiselle warf Claes einen Blick zu, aber er brauchte die Warnung nicht. »Ich kann lesen.« Und bereitwillig fügte er hinzu: »Ich lese jene, die ich öffnen kann, es sei denn, sie sind chiffriert.«
    Der Vicomte lächelte. »Jetzt gefällst du mir. Ein interessantes Gespräch, nicht wahr? Du liest also jene, die du öffnen kannst, und jene, die nicht verschlüsselt sind. Und du gibst die Nachrichten weiter. An wen?«
    »An Leute, die mich bezahlen.« Claes tat, als wunderte er sich über die Frage, »Ich muß Geld verdienen.«
    »Das ist mir klar. Und verdienst du es für dich selbst oder für deine Herrin? Denn noch bist du doch in ihren Diensten?«
    »Natürlich. Die Demoiselle de Charetty ist meine Herrin.«
    »Du erhältst also deinen Lohn und bringst ihr alle Gewinne. Wie freundlich von dir. Willst du sie und mich eigentlich für dumm verkaufen?«
    Eine Pause trat ein. »Nein, Monseigneur.«
    »Warum lächelst du dann?«
    »Weil ich dieses Gespräch schon einmal geführt habe. Mit Meester Tobias, dem Arzt. Er fragte sich, ob ich reich oder mächtig werden oder mich bloß an anderen rächen wollte.«
    »Und was hast du erwidert?«
    »Was er hören wollte. Aber wir haben uns dennoch zerstritten.«
    Wieder trat Schweigen ein. »Du spionierst, nicht wahr?« fragte der dicke Mann jetzt.
    »Ich habe es ja zugegeben.«
    »Ach ja. Aber für dich selbst, nicht für die Demoiselle. Du hast viel Zeit mit Agnolo Acciajuoli verbracht. Hast du das jemandem erzählt? Welchen Sinn könnten diese Treffen für das Haus Charetty haben? Du hast - aus reinem Zufall? - Monsieur Gaston du Lyon, den Schatzmeister des Dauphin, getroffen,

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