Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
Vom Netzwerk:
Sohn etwas anzutun? Ich habe Euch vorhin schon gesagt, Euer Sohn ist ein rachsüchtiger Mensch.«
    »Ihr mögt ihn nicht«, sagte der Vicomte und sah Marian de Charetty prüfend an.
    »Er sieht gut aus und hat viele Freunde, davon bin ich überzeugt, Aber ich, nein, ich mag ihn nicht.«
    »Katelina van Borselen auch nicht. Ihr habt; recht, er wurde falsch erzogen. Und wer soll die Dinge ordnen, wenn nicht sein Vater?« Er lächelte, sein Doppelkinn zog sich zusammen, und der Mund wurde ein schmaler Strich. »Aber ich lebe in Frankreich, und wem kann ich hier trauen? Wer wird mir berichten, was Simon tut, mich warnen, wenn er sich auf unpassende Vorhaben und Bindungen einläßt oder die Familienehre vergißt?«
    Er hielt inne. Und fuhr dann mit einer schwungvollen Geste fort. »Wer, wenn nicht ein junger Spitzel, der sowieso bald entlarvt wird? Du, lieber Claes, wirst ohne sein Wissen der Schatten meines Sohnes werden. Aus gutem Grund wirst du mein persönlicher Spitzel sein. Darum bin ich hier. Um dir eine feste Stellung anzubieten.«
    Claes ließ sich Zeit mit der Antwort. Niemand unterbrach sein Nachdenken. Er zerlegte den Vorschlag wie ein Puzzlespiel. Die Hälfte der Teile fehlte. »Bietet Ihr mir das an, Monseigneur, weil Ihr wollt, daß ich ihn töte?« fragte er schließlich.
    Der dicke Mann lächelte, antwortete aber nicht. Etwas zögernd fuhr Claes fort. »Oder weil nach diesem Gespräch gewährleistet ist, daß ich ihn nicht töten werde?«
    Der Vicomte lächelte intensiver. »Wie scharfsinnig! Du bringst mich noch dazu, dich Nicholas zu nennen. Tust du es also?«
    Hinter dem Schreibtisch hob die Demoiselle beschwichtigend die Hand, hielt dann aber abrupt inne. Claes nahm keine Notiz davon. Er stand vor dem dicken Mann, sein Herz schlug ihm bis zum Hals. »Ihr vergeßt die menschliche Natur. Selbst ein Handwerker muß sich nicht mit Tieren abgeben.«
    Der Vicomte stützte sich mit den Händen auf die Armlehnen des Sessels und stand auf. Er war ebenso groß wie Claes, aber doppelt so breit, und wuchtete seine Körpermasse hoch, bis er dem jungen Mann gegenüberstand. Mit einem Rest von Anmut hob er einen dicken Arm und hielt ihn wie ein Tänzer hoch gestreckt über seinen Kopf. Die schwerberingte Hand schwebte leicht gekrümmt in der Luft, als wollte er mit ihr zu einer höflichen Verbeugung weit ausholen. Doch Monsieur de Ribérac riß sie nach unten. Die Handfläche blieb ihm zugewandt. Die Außenseite der Hand mit dem großen Bergkristall klatschte in Claes’ Gesicht, und vom Auge bis zum Kinn zog sich eine blutige Spur.
    Marian de Charetty war aufgesprungen, hatte ihre Glocke ergriffen und wollte gerade läuten, da legte Claes ihr die Hand auf den Arm. Monsieur de Ribérac sprach lächelnd mit Claes, als ob gar nichts gewesen wäre.
    »Nimm es als eine weitere Beleidigung. Ich habe dir ein Angebot gemacht. Es mit groben Worten abzulehnen war ein Fehler. Du wirst in den kommenden Wochen noch weitere Zeichen meines Interesses an deinen Angelegenheiten bemerken. Und du wirst es auch bemerken, wenn ich meinen Sohn nach meinem Geschmack zurechtgestutzt habe.«
    »Wenn er es überlebt«, sagte Claes. Er ließ den Arm der Demoiselle los. Blut tropfte ihm vom Unterkiefer und rötete sein Hemd. Er hob die Hand in dem vergeblichen Versuch, es zurückzuhalten.
    Monsieur de Ribérac sah erst ihn an und dann die Witwe. Er seufzte. »Wer weiß, was ihm bevorsteht, oder dir? Du wirst den heutigen Tag in Erinnerung behalten. Vor allem natürlich, wenn du in den Spiegel siehst. Nicht ganz das Gesicht eines Nicholas, nicht wahr, du Schuft?«
    Marian de Charetty hatte die Hand immer noch an der Glocke.
    Der Vicomte lächelte. »Demoiselle, Ihr habt nicht klug gehandelt. Ich wünsche einen guten Tag.«
    Die Tür schloß sich hinter ihm. Man hörte nur noch seine schweren Schritte, die sich entfernten. Ohne um Erlaubnis zu bitten, setzte sich Claes plötzlich hin und senkte den Kopf. Er hielt die Hände zwischen den Knien, und Blut tropfte auf sie herab.
    Er verlor nicht oft die Selbstbeherrschung. Sein Körper und sein Verstand harmonierten sonst gut, und Probleme, wenn es sie überhaupt gab, löste er immer, wenn er allein war. Das war jetzt nicht der Fall. Seine Haut juckte und kribbelte, als hätte er ein Wespennest im Leib. Er merkte, daß Marian de Charetty neben ihm stand und sprach, und ihre Stimme hatte einen schroffen Klang.
    »Das war ein tätlicher Angriff. Warum hast du mich zurückgehalten? Ich lasse die

Weitere Kostenlose Bücher