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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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Magistrate kommen.«
    Als er nicht reagierte, schwieg sie. Etwas berührte seine aufgerissene Wange. Er hob abwehrend eine Hand und fand dort ein Tuch. Sie überließ es ihm und legte ihm leicht die Hand auf die Schulter. Die andere Hand legte sie mit gespreizten Fingern auf seinen Nacken.
    Dort ließ sie ihre warme, feste Hand liegen, wie sie es manchmal bei ihren Kindern getan hatte. Erst als er sich bewegte, zog sie die Hand weg. Er sah ihr Gesicht, als sie sich über ihn beugte. Sie lächelte, wirkte aber auch gequält. »Mein Lieber, was für eine Heimkehr.«
    Mein Lieber. Er versuchte darüber nachzudenken, aber es gelang ihm nicht. Das Tuch war durchweicht, doch er drückte es weiter an sein Gesicht. Mit der anderen Hand umfaßte er sein Knie und wollte es massieren. Er fing an zu reden. »Wie kann er so etwas tun?«
    Vor ihm stand noch ein Stuhl. Die Demoiselle de Charetty ließ seine Schulter los, setzte sich und sah ihn an. »Weil er ein schlechter Mensch ist. Wir konnten dich nicht warnen. Er drohte uns mit dem, was er dir antun könnte.« Sie hielt inne und wiederholte dann: »Wenn wir dich nur hätten warnen können.«
    »Ich habe damit gerechnet. Er wollte mir auflauern. Er hoffte, etwas zu erfahren.« Langsam funktionierte sein Verstand wieder. »Die Drohungen sind bedeutungslos. Aber ich wünschte, Ihr hättet sie nicht gehört, und auch die Beleidigungen nicht. Es tut mir leid. Und Ihr habt mich verteidigt.«
    Noch während er redete, schweiften seine Gedanken ab. Sie mußte sich also darüber im klaren sein, daß ihre erste Erwiderung die falsche Frage beantwortet hatte. »Es war eine Prüfung«, sagte sie. »Er hat erwartet, daß du ablehnst. Claes?«
    Sie war schon von ihrem Stuhl aufgestanden. Dann hielt sie inne, änderte die Richtung, suchte nach einem frischen Tuch und reichte es ihm.
    All seine Kleider waren voll Blut. Er hielt sich das frische Tuch ans Gesicht, »Wenn es eine Prüfung war, dann besteht wohl kaum ein Zweifel am Urteil.« Die leichteste Berührung der Wunde tat weh. Es war nicht derselbe Schmerz wie von den Prügeln, an die er gewöhnt war. Fürs ganze Leben verunstaltet durch einen Ring. Den Ring eines Mannes noch dazu. Niemand würde es glauben. Julius jedenfalls nicht. Tobias vielleicht.
    Langsam bekam er sich wieder in den Griff. Er drehte sich zur Demoiselle um. »Nein, keine Magistrate. Sie könnten nicht viel tun. Nichts, worüber es sich überhaupt zu reden lohnt. Er hat sich gewaltsam Zugang verschafft. Ihr konntet ihn nicht aufhalten. Und es wäre unklug gewesen, deswegen die halbe Färberei herbeizurufen. Mir tut nur leid, daß Ihr das über Euch ergehen lassen mußtet.«
    »Aber es geht doch um dein Gesicht.«
    »Nein. Was könnte ich unternehmen, das mir helfen würde? Und ich würde nicht zulassen, daß Ihr etwas unternehmt. Er wird nicht wiederkommen. Er liegt im Streit mit seinem Sohn und wollte uns hineinziehen. Jetzt weiß er, wo wir stehen.« Er hielt inne, versuchte zu lächeln, gab den Versuch aber schnell auf. »Denkt nicht mehr daran. Ich werde es auch nicht tun. Er ist ein unangenehmer Mann, der einen unangenehmen Sohn hat und zuviel Macht besitzt. Ah, ich weiß jetzt, was falsch war. Ihr habt ihm nichts zu trinken angeboten.«
    Aber sie war nicht bereit, so rasch darüber hinwegzugehen. »Und die Drohungen? Was hast du denn getan?«
    »Ihr könnt Euch selbst ein Urteil bilden. Erlaubt mir, mich erst zu waschen und dann wiederzukommen, um Euch alles zu berichten.«
    »Alles?« Sie war aufgestanden und zu ihrem Schrank gegangen. Mit einer Flasche in der Hand kam sie zurück. »Zuerst brauchst du etwas davon. Was war es in Felix’ Schenke? Bier?«
    »Das wäre es gewesen, nur hat mich meine Herrin zu sich bestellt, als der Becherrand eben meine Lippen berührte.«
    »Das ist der schwerste Wein, den ich habe. Erzähle es Henning nicht. Ich habe mir angewöhnt, ihn zu trinken. Es war kein einfacher Winter.« Sie hielt kurz inne. »Für alle, glaube ich. Doch Felix ist gut vorangekommen.«
    Er leerte den Becher, den sie ihm reichte, in einem einzigen langen Zug und ließ sie noch einmal nachschenken. Dann nahm er den Becher mit in den leeren Schlafraum, den er mit anderen teilte, und blieb einen Augenblick schweigend vor dem Spiegel stehen, ehe er Wasser holen ging. Die Demoiselle hatte ihre Hilfe angeboten, aber er war an all das gewöhnt. Mehr oder weniger.
    Er beeilte sich. Er reinigte den tiefen Schnitt, zog ein sauberes Hemd an, rieb die Flecken von

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