Niccolòs Aufstieg
stimmt’s?« fragte Claes. »Genau wie Bischof Kennedy, oder?«
»Am gescheitesten ist es«, meinte Angelo Tani, »sie als neutral zu betrachten. Wie den erlauchten Herzog.«
»Herzog Philipp?« sagte der frischgebackene Kurier so direkt wie eh und je. »Aber der hält doch zu York. Sonst würde er nicht dem Dauphin Zuflucht gewähren. Dabei fällt mir ein - die haben da eine hervorragende Menagerie in Mailand. Ich habe ein Stachelschwein für Meester Felix mitgebracht, aber er will es nicht haben. Es soll der erste Preis in der Lotterie werden. Es sei denn, Ihr möchtet es haben, Messer Angelo?«
»O Gott!« sagte Angelo Tani.
Tommaso lächelte, wurde aber sofort ernst, als er begriff, daß die Worte weniger Ausdruck des Abscheus als der Bestürzung waren.
»O Gott!« sagte Tani noch einmal. »Der Strauß!«
»Der Strauß?« hakte Claes nach.
Tani machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nicht weiter wichtig. Eine Anfrage in den Schreiben aus Mailand. Es war etwas unklug von uns, Messer Pierfrancesco vier edle Pferde zu schicken und nicht an ein Geschenk für den Herzog von Mailand zu denken.«
»Aber Messer Pierfrancesco hat die Pferde doch gekauft«, wandte Tommaso ein. »Und der Herzog züchtet selbst.«
»Natürlich. Aber wie dein Bruder Pigello sehr richtig bemerkt hat, geht es nicht an, daß die Familie Medici in Mailand größer auftritt als der Herzog. Wir hätten ihm ebenfalls ein Geschenk schicken müssen. Etwas Spektakuläres. Messer Pigello hat einen Vogel Strauß aus der Menagerie des Herzogs von Burgund vorgeschlagen. Ein Geschenk aus freien Stücken von einem Herzogtum an das andere, das der Herzog von Mailand schätzen und Burgund wenig kosten würde. Das Tier können wir auf unsere Kosten senden. Tommaso, unterhalte dich gleich morgen einmal mit Messer Pietro Bladelin über die Sache.«
Mit Genugtuung bemerkte Tani, daß Tommaso sich ruckartig aufsetzte.
Der Kurier Claes stand auf. »Ihr habt viel zu besprechen, und ich möchte Eure Zeit nicht vergeuden. Ich danke für den Wein, Messer Angelo, und mache mich jetzt auf den Weg. Es war mir ein Vergnügen, Euch zuzuhören. Nur so lernt man, nicht wahr? Indem man auf die Worte großer Männer achtet und auf die Geschäfte der Völker.«
Unter ehrerbietigen Verneigungen zog er sich zurück und beherrschte seine Lachlust, bis er auf der Straße und um die erste Ecke war. Er mußte sich beeilen, um eine ganz andere Verabredung einzuhalten, in der zwielichtigen Spelunke, die neuerdings das Stammlokal der jugendlichen Taugenichtse von Brügge war.
Sie beschimpften ihn wegen seiner Verspätung, verspotteten ihn wegen seines korrekten Aufzugs und stießen ihn, weil er angeblich mit jedem zweiten Wort von Herzögen sprach, auf seinem Stuhl hin und her, bis der kippte. Als er endlich zu Wort kam, erzählte er glucksend vor Lachen die Geschichte mit dem Vogel Strauß.
»Der Herzog hat in Brügge gar keine Strauße«, erklärte Anselm Sersanders, der immer alles wußte.
Und der junge Bonkle, der ein schlechtes Gewissen hatte, sagte unwirsch: »Woher willst du das wissen?«
»Nein, er hatte früher mal einen, aber der ist letztes Jahr eingegangen«, berichtete Sersanders. »Der arme Angelo. Da wird er was andres schicken müssen.«
»Mabelie?« meinte Claes.
John Bonkle wurde brennend rot.
Claes sah ihn lachend an. »Aber die würde ja nicht gehen. Denk dir nichts. Sie war schließlich nicht mein Eigentum. Also, was? Felix’ Stachelschwein? Nein, der Herzog hat schon eins.«
»Wartet!« rief Lorenzo Strozzi.
Alle waren überrascht, daß er sich einmischte, denn es war gar nicht von Geld die Rede gewesen. »Wartet!« sagte er noch einmal. »Wißt ihr nicht mehr, was ich euch erzählt habe? Wir haben einen Vogel Strauß in Spanien. Es sei denn, der ist auch eingegangen. In Barcelona.«
»Das war doch Loppe«, sagte Claes.
»Nein. Es war ein Strauß. Messer Angelo kann es Pierre Bladelin erzählen, und der Herzog kann ihn kaufen und als Geschenk nach Mailand schicken. Es ist zwar kein Strauß aus seiner eigenen Menagerie, aber das wird sicher keine Rolle spielen.«
Sie sahen einander an, und Claes gab Lorenzo einen Klaps auf die Schulter. »Guter Einfall! Klar! Wieso bin ich darauf nicht selbst gekommen? Ich rede sofort mit Messer Angelo. Ich will nur erst einen Schluck trinken.«
»Nein!« rief Felix plötzlich. »Nein. Du redest morgen mit ihm. Mutter ist aus Löwen zurück. Ich sollte dir ausrichten, daß du dich auf der Stelle bei ihr
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