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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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den du gezeichnet hast, ist nicht übel«, stellte er fest. »Aber die Eva! Die Hand muß woanders hin. So sieht es ja aus, als wär’s vielleicht gar keine Eva. Sondern ein zweiter Adam.«
    »Er braucht ein Modell«, sagte Claes. »Unser guter Colard hat ein schlechtes Gedächtnis.«
    Den Gänsekiel zwischen den zornfunkelnden Augen fuhr Colard in gekrümmter Schreibhaltung herum. »Leg das weg. Das ist nicht von mir.«
    »Ich könnte ihm ein Modell besorgen«, meinte John Bonkle.
    »Aber er hat das Bild ja nicht gemalt«, wandte Claes ein.
    »Wer dann?« fragte Anselm Sersanders.
    »Kennst du nicht. Aber er hat ein Modell«, sagte Colard verdrossen. »Sie läuft immer so herum, mit der Hand da an der Stelle. Wenn er je einen passenden Adam brauchen sollte, werde ich einen von euch Helden empfehlen. Ich habe Bier da, aber wenn ihr keins wollt, hört einfach nicht auf das, was ich euch sage.«
    Es war ein lang geübtes Ritual. Sie kletterten über Kisten und Kästen, stöberten zwischen Papierhaufen und schwankenden Manuskriptstapeln in den Regalen und halfen ihm, Bier und Becher herbeizuschaffen. Anselm, der vor kurzem Geburtstag gehabt hatte, ließ von einer Fleischbraterei zwei Paar gebratene Täubchen mit Senf holen, auch das ein altgewohntes Ritual. Und dann setzten sie sich und ärgerten Colard, der viel mehr vertilgte als ihm eigentlich zustand.
    »Das ist die letzte Gelegenheit«, bemerkte Felix mißmutig. »Ab Mittwoch gibt’s nur noch Aal.«
    »Aber vorher ist Karneval«, sagte John Bonkle. Er war ein zuversichtlicher Mensch. »Erzähl, Collinet, Mit wem gehst du?« fragte er und wurde gleich darauf puterrot.
    »Nichts da, Jannekin«, sagte Felix boshaft. »Viel interessanter ist doch, mit wem du gehst. Wenn es Mabelie ist, gib lieber acht. Claes hat sie verwöhnt. Nach Strich und Faden. Kann gut sein, daß du sie gleich wieder los bist.«
    »Ach, sei doch still«, fuhr John ihn hitzig an und warf Claes einen kurzen Blick zu. Der lachte ihn ganz ohne Groll an, obwohl ihm dabei das Blut aus der gespaltenen Wange sickerte, so daß er fluchend nach einem Tuch kramen mußte. »Mabelie kann tun, was sie will«, erklärte John. »Sie geht nicht mit mir. Dafür ist der Karneval ja auch nicht da.«
    »Ah, der Herr Vater schickt dich wohl auf Brautschau?« sagte Felix. Alle wußten, daß das der eigentliche Zweck des Karnevals war. Es war eine der seltenen Gelegenheiten, wo sich Reiche und Arme auf Brügges Straßen mischten, wo junge Männer bei Tanz und Vergnügen junge Frauen kennenlernen konnten, ohne ihnen erst förmlich vorgestellt werden zu müssen und ohne daß daraus sogleich eine Verpflichtung entstand.
    Die Standesunterschiede allerdings blieben bestehen. Mochten die Masken auch noch so täuschend sein, die Bessergestellten hoben sich aus der Menge heraus - durch ihre Kleidung und ihre Diener, die an ihrer Tracht kenntlich waren. Herren von Stand konnten mit gastfreundlicher Aufnahme in den vornehmen Häusern rechnen, wo Musik, Erfrischungen und Tanz geboten wurden. Und jeder Edelmann, der sich auf der Straße umschaute und dabei einer standesgemäßen Dame begegnete, konnte dieser auf einem Pergamentröllchen seinen Namen zeigen und mit ihr, wenn sie einwilligte, nach ihrem Geschmack den Abend verbringen. Nur sprechen durfte er dabei nicht.
    Das waren die Regeln, und sie hatten sich bewährt. Paare trafen sich relativ zwanglos, aber ohne die Formen zu verletzen, und das führte häufig zu guten Ehen. Die ganz jungen jedoch wurden streng bewacht. Mit dreizehn oder vierzehn neigten sie zu unüberlegtem Handeln, und daraus entstand nur Unglück.
    »Na ja, alt genug ist John«, sagte Colard Mansion. »Er sollte eigentlich längst verheiratet sein. Und du auch. Was hat deine Mutter denn mit dir vor?«
    Felix starrte ihn an. »Tust du das, was deine Mutter sagt? Ich will nicht noch eine Frau am Hals haben. Erst mal brauche ich meine Freiheit. Ich nehme Grielkine mit, was habt ihr denn gedacht.«
    Claes öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
    »Und du gehst mit Tilde und Catherine«, fügte Felix barsch hinzu.
    »Ach was? Und wer sagt das?«
    »Ich«, antwortete Felix. »Ich brauche nicht alles zu tun, was meine Mutter will. Sie soll lieber selbst heiraten.«
    »Willst du das?« fragte John erstaunt. »Mit wem geht sie denn zum Karneval?«
    »Oudenin, wenn’s nach dem ginge«, antwortete Felix. »Aber der ist natürlich nicht gut genug. Nein. Sie will einen reichen Mann. Einen mit einem Herrensitz, mit

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