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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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sepiabraunem Matsch geworden.
    Leitern wurden von einer Straße zur nächsten getragen und gefährlich um Hausecken manövriert. Karren voll Papierlaternen drängten sich neben Schubkarren voll Kerzen. Zerlegbare Stände, an denen sich bei Tag die Leute zur öffentlichen Ziehung der Lose einfanden und am Abend die Feiernden verköstigt würden, wurden herbeigeschleppt, aufgestellt und brachen prompt wieder zusammen. Städtische Ausrufer, die für die Verbreitung von Nachrichten sorgten, durchquerten mit Mühe die Stadt, um die letzten Neuigkeiten zu verkünden. Wer bankrott war. Wer gestorben war. Wer heiraten wollte und wer eine Amme brauchte. Lauter interessante Meldungen, wenn man sie hören konnte.
    Männer mit Fahnen schlugen Nägel für die Fahnenhalter ein. Rollwagen mit Wein- und Bierfässern rumpelten von Schenke zu Schenke, von dicken Gäulen gezogen, von denen einige schon einen wippenden Federbusch trugen. Eine Schar grölender Straßenkinder folgte einem Faß auf zwei Beinen, das einmal Bier enthalten hatte, in dem jetzt aber der Pfefferkuchenverkäufer Poppe steckte und zur Strafe dafür, daß er ungewaschenen Fasteningwer verkauft hatte, dem Spott der Leute preisgegeben wurde.
    Anselm warf im Vorübergehen gutmütig einen Schneeball nach ihm, der einen Teil des Eimatschs von seiner Stirn wegwusch, und schoß dann mit Claes noch ein paar auf den Weber Witken, den man, in seine eigene dünne Wolle gehüllt, an einen Pfahl gebunden hatte, um ihn daran zu erinnern, daß Weben bei Frost gesetzlich verboten war.
    Beide Opfer schimpften, aber ohne Groll. Man versuchte, das Gesetz zu umgehen. Wurde man ertappt, so nahm man die Strafe hin. Wenn das nächste Mal wieder Claes daran glauben mußte, würden Poppe und Witken sich schadenfroh revanchieren. Mit Mist vielleicht.
    Das Luccheserhaus war in derselben Straße wie das Palais von Pierre Bladelin; hinter der Börse mit all den Lotterieplakaten, nicht weit vom Haus der genuesischen Kaufmannschaft. Als sie ankamen, wurde Sersanders zu seiner Überraschung gleich mit einem Auftrag weitergeschickt. Sein Onkel ließ ihn bitten, nach seinen Cousinen Katelijne und Marie zu sehen, die mit ihrem Bruder ganz in der Nähe auf dem Minnewater Schlittschuh liefen, und ihnen auszurichten, daß ihr Vater bald kommen werde.
    Sersanders, ein gutherziger junger Mensch, hatte nichts gegen kleine Cousinen. Es gab allerdings Zeiten, da hätte er am liebsten kein Wort mehr von den Heldentaten ihres Bruders Jan in Paris gehört. Aber da er gutherzig war, erhob er keine Einwände und ging sofort los.
    Claes wurde vom Verwalter durch das Gebäude in einen kleinen Innenhof geführt und dann eine Treppe hinauf zu drei Männern, die an einem langen, mit kostbarem Stoff bedeckten Tisch saßen. Einer von ihnen war Giovanni Arnolfini. Einer war Anselm Adorne. Der dritte, den er vom Sehen kannte, war William, der Vorsteher der englischen Kaufmannsgilde in Brügge. Vor ihnen blieb er stehen und bezwang einen Impuls zu lächeln.
    »Mein lieber Claes!« sagte Arnolfini. »Was hast du mit deinem Gesicht angestellt?«
    Die Frage wurde langsam lästig. Hätte man unfreundlich sein wollen, könnte man Arnolfini das gleiche fragen. Fünfundzwanzig Jahre waren vergangen, seit dieses bleiche Gesicht mit dem gespaltenen Kinn, den wimpernlosen Lidern und der langen, an der Spitze rot geäderten Nase von Jan van Eyck gemalt worden war. Giovanni Arnolfini Hand in Hand mit seiner zukünftigen Ehefrau.
    Monna Giovanna standen die roten Haare auch heute noch wie zwei kleine Hörner über der Stirn. Doch Meester van Eyck war tot, und Giovanni Arnolfini seinem Aussehen nach halbtot. Unverändert waren nur der Hohlspiegel, an dem allerdings eine der Emailfarben erneuert war, und der Kronleuchter aus Gold und Silber mit den sechs freundlich brennenden Kerzen.
    Gutes Benehmen in jeder Hinsicht zeichnete Giovanni Arnolfini ebenso wie seine Verwandten in Brügge, London und Lucca aus. Der ehemalige Seidenhändler war rasch zum Finanzier Herzog Philipps aufgestiegen. Er hatte ein Anrecht auf jährlich 15000 Franken aus den Steuern, die der listige Herzog auf alle Waren (wie etwa englische Wolle) erhob, die über Gravelines nach Calais ging. Er kaufte die Stoffe für die Garderobe des französischen Dauphin. Und er lieh dem Dauphin Geld.
    »Monseigneur«, sagte Claes, »es war ein Unfall. Ihr wolltet Nachricht aus Mailand?«
    Ein Lächeln flog über das blasse, kluge Gesicht. »Die habe ich bereits erhalten. Mit den

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