Niccolòs Aufstieg
Briefen, die du gebracht hast. Nein. Ich wollte dich mit Messer William, dem Vorsteher der englischen Kaufmannschaft, bekannt machen. Und ich habe Anweisungen für dich. Die Briefe, die du aus Italien für den Dauphin mitgebracht hast, sollen mir ausgehändigt werden.«
Die wenigen Worte enthielten gleich vier Mitteilungen, denen es nachzugehen galt. Der erste Schritt war klar. »Sehr gern, Monseigneur«, sagte Claes, »Die Anweisungen liegen Euch schriftlich vor?«
So war es.
»Und die Rüstung, Monseigneur?« fragte Claes.
»Die Rüstung?«
Arnolfini beugte sich vor und wies mit einem Fingerschnippen auf den Hocker auf der anderen Seite des Tischs.
Claes setzte sich. »Die Rüstung des ehrenwerten Dauphin. Das Geschenk des ehrenwerten Herzogs von Mailand. Der Gesandte des ehrenwerten Dauphin wollte sie im Herbst nach Norden bringen, mußte sie jedoch in Genf zurücklassen. Bei einem Pfandleiher. Um seine eigene Heimreise bezahlen zu können.«
»Und?« sagte Giovanni Arnolfini, während seine beiden Gäste angelegentlich das schöne Balkenwerk der Decke betrachteten.
»Da ich Gold bei mir hatte«, erklärte Claes, »habe ich sie ausgelöst. Sie befindet sich jetzt sicher im Haus Charetty, zusammen mit den Schreiben des ehrenwerten Herzogs an den ehrenwerten Dauphin. Ich werde sie Euch unverzüglich übergeben.«
»Du hast die Rüstung mit deinen eigenen Mitteln ausgelöst?« fragte Arnolfini.
»Selbstverständlich, Auf den Rat von Monsieur Gaston de Lyon, der sich zum Turnier in Mailand aufhält.«
Es blieb einen Moment still. »Und du hast den Pfandschein, mein lieber Niccolò?« fragte Arnolfini schließlich.
Er hatte ihn. In seiner Geldtasche.
»Dann gestatte mir, dir im Namen von el mio Monsignore el Delphino die Ausgaben zurückzuerstatten, wenn du die Rüstung bringst. Und nun berichte uns, was es Neues von den Leuten gibt, die dir auf deiner Reise begegnet sind. Zum Beispiel vom Bischof von Terni, Monsignore Francesco Coppini.«
»Ein illustrer Vertreter der Kirche«, sagte Claes. »Der mit dem Auftrag betraut ist, für den Kreuzzug Seiner Heiligkeit zu sammeln. In Flandern. Seine Heiligkeit hat ja bereits vernehmen lassen, daß er alle Hoffnung auf Hilfe von England oder Schottland aufgegeben hat. Das eine ist vom Bürgerkrieg zerrissen, das andere liegt weitab an den fernsten Grenzen des Ozeans. Dennoch hat er Bischof Coppini ausgesandt, dorthin zu reisen.«
»Wohin zu reisen?« fragte der Engländer in fließendem Flämisch, wie nicht anders zu erwarten von einem Sohn der flämisch besetzten Grafschaft Norfolk, der seit nunmehr fünfzehn Jahren in Brügge tätig war. Claes wußte wie jeder von der Freundschaft zwischen dem Vorsteher der englischen Kaufmannschaft und Adorne, die bis in die frühe Jugend der beiden zurückreichte. Und er wußte auch von der Freundschaft zwischen dem Engländer und dem Buchhändler Colard.
Er sah den Engländer an. »Bischof Coppini soll wohl nach England reisen, um König Heinrich mit seinen Verwandten aus dem Haus York zu versöhnen. Oder vielleicht soll er auch nach Calais gehen, um den Sohn des Herzogs von York mit König Heinrich zu versöhnen. Ich weiß es nicht, da ich den Bischof nicht gesprochen habe. Seinen Kaplan allerdings haben wir in Vigevano sehr häufig gesehen.«
»Ah«, sagte Arnolfini. »Und hatte auch der Kaplan des Bischofs keine Hoffnung, den englischen Krieg beendet und ein tapferes englisches Heer gegen die heidnischen Horden ziehen zu sehen?«
Da das Lächeln immer noch weh tat, unterließ Claes es lieber. »Soweit ich verstanden habe, Monseigneur, hat der Kaplan volles Vertrauen in die Fähigkeiten des Bischofs, den englischen Streit zu beenden. Vielleicht sogar noch rechtzeitig, um die Entsendung eines englischen Heers zu ermöglichen. Aber gegen wen …«
»Ja?« fragte der Engländer.
»Gegen wen«, erklärte Claes bekümmert, »konnte ich nicht herausbekommen, Monseigneur.«
Das sagte ihnen, genau wie von ihm beabsichtigt, alles, was sie wissen wollten. Denn diese drei Männer standen nicht auf der Seite des englischen Königs Heinrich aus dem Haus Lancaster; sie standen auf der Seite des Thronprätendenten aus dem Haus York und damit auf der des französischen Dauphin, des Herzogs von Mailand und des Königs Ferrante von Neapel. Für den Astorre und sein frisch rekrutiertes Heer in den Kampf ziehen wollten.
Es erforderte einige Geschicklichkeit, das Gespräch von diesem Thema auf sein eigenes Interesse an Waffen zu lenken,
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