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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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war ein Jammer, daß die kleine van Borselen sich der Gesellschaft so hartnäckig aufgedrängt hatte, aber Claes war von ihr und ihrer Aufdringlichkeit sicher bald erlöst worden. Bestimmt hatte jemand - ein Dienstbote, vielleicht auch die Schwester, Katelina? - das Mädchen gesucht und nach Hause gebracht. Aber das, sagte sich Marian de Charetty, war nicht ihre Sache.
    Felix hatte die Nacht vermutlich mit seinem Mädchen verbracht. Jetzt, da er auf den Geschmack gekommen war, würde sie ein ernstes Wort mit ihm reden müssen, sonst behaupteten am Ende noch alle Dienstmädchen in Brügge, von ihm geschwängert worden zu sein. Da er keinen Vater mehr hatte, der in dieser Situation eingreifen konnte, war es wohl die beste Lösung, ihm eine Ehefrau zu suchen. Sie wurde allein nicht mehr fertig mit ihm. Und Ehefrauen hatten Väter. So stolperte sie auf Schritt und Tritt über den Pfandleiher Oudenin.
    Als sie nach dem Essen im Rathaus zur jährlichen Prüfung der Maße und Gewichte nach Hause kam, sah sie, daß Claes ihr zuvorgekommen und, nur mit Hemd und einem altem Wams bekleidet, schon an der Arbeit war. Sie ließ ihn gewähren und ging in die Küchenräume, wo Felix gerade auf eine ihrer Bedienerinnen einredete. Er hatte in der Lotterie einen Sack voller Glöckchen gewonnen und wollte sie unbedingt an Claes’ Kleider genäht haben.
    Claes’ Sachen waren bereits in der Küche, sie sollten gebügelt werden. In seinem Wams war ein großer Riß zu flicken. Man habe ihn in den Kanal gestoßen, berichtete ihre Bedienerin, die das offenbar glaubte. Felix, dessen Augen den Glanz einer Nacht ohne Schlaf zeigten, glaubte es offenbar ebenso nicht. Und sie selbst auch nicht. Claes’ Augen zeigten den gleichen Glanz wie Felix’, und die Haut rund um den roten Schnitt auf seiner Wange war wachsbleich.
    Aschermittwoch. Ein Tag, den sie immer gehaßt hatte.
    Später, als Claes seine Kleider holen kam und Wams und Rock voller Schellen fand, gab es eine kurze Szene. Von Felix und seinen Freunden gezwungen, zog er beides an, lief schnurstracks zur Tür hinaus und kam wenig später mit einer Herde Ziegen zurück, die er unter Gebimmel ins Haus und nach oben in Felix’ Zimmer führte. Dort drängten sie sich meckernd aneinander und deckten vor Angst alles mit ihrem Kot ein. Felix war wütend, aber seine Freunde, die nicht mehr aufhörten zu lachen, brachten ihn schließlich auch dazu. Später kam ein Mann, dessen Lohn zweifellos zu Lasten von Felix’ Ausbildungskasse ging, und machte das Zimmer wieder sauber, während jemand die Glöckchen abschnitt und Claes sich die Schlüssel zu einem der Keller holte und anspannen ließ. Gleich darauf sah Marian de Charetty das Fuhrwerk mit Claes und dem Laufburschen aus dem Hof rumpeln.
    Felix hatte sich davongemacht, ohne um Erlaubnis zu bitten oder sich zu verabschieden. Henning sagte auf scharfes Nachfragen nach Claes’ Vorhaben bloß, es komme eben nichts Gutes dabei heraus, wenn aus einem Lehrling ein Soldat gemacht werden sollte. Vor sechs Monaten sei das noch ein ordentlicher Bursche gewesen, dem es nicht im Traum eingefallen wäre, so ohne weiteres mit dem Wagen der Herrin auf und davon zu preschen, noch dazu während der Arbeitszeit.
    »Aber wozu braucht er den Wagen?« beharrte sie.
    »Er holt seinen Lotteriegewinn ab«, antwortete Henning. »Mitgebracht hat er bloß einen Panzerhandschuh, aber das war nur so etwas wie eine symbolische Gabe. Kann sein, daß er einen Schild abholt. Oder vielleicht einen Helm.«
    »Oder auch nur den anderen Handschuh«, sagte Marian de Charetty. »Dann wird er mit dem Fuhrwerk schön dumm dastehen, nicht? Nun gut. Wir müssen uns um wichtigere Dinge kümmern. Zeig mir die Waage, an der sich jemand zu schaffen gemacht hat.«
    Das Fuhrwerk kam lange nicht zurück. Catherine wurde von Freunden abgeholt und erzählte beim Heimkommen, auf dem Marktplatz seien Buden mit Dörrobst und die kleine van Borselen sei auch dort gewesen, noch mißgelaunter als sonst. Gelis, die kleine Pummelige. Darüber, daß Claes sie beim Karneval begleitet hatte, habe sie nichts weiter zu sagen gehabt, nur daß sie sich gelangweilt habe wie nie und schließlich allein nach Hause gegangen sei. Mit wem Claes abgezogen war, habe sie nicht erwähnt, aber die Kleine besitze einen neuen Handschmeichler! Und was für einen wohl?
    Genau! Einen vergoldeten Apfel! Es hätte Marian de Charetty interessiert, wann Claes ihn verschenkt hatte, bevor oder nachdem seine Kleider mit Glöckchen

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