Niccolòs Aufstieg
wirst nicht für deine Neugier bezahlt. Du wirst dafür bezahlt, daß du tust, was man dir sagt. Also, blas gefälligst noch die anderen Kerzen aus!«
Er trat zur Seite. Claes tat wie befohlen, während Felix mit der Lampe zur Tür ging. Seine Mutter folgte ihm. Aus der Dunkelheit rief Claes ihnen nach: »Astorre lehrt auch ritterlichen Zweikampf.«
Felix drehte den Kopf und lachte kurz. »Und du bildest dir wohl ein, du wärst darin besser als ich?«
»Ich habe kein Pferd. Und keine Lanze.« Claes’ Stimme klang recht traurig.
Felix drehte sich ganz herum. »Das macht doch nichts. Ich leihe dir beides. Du stellst dir eine gute Rüstung zusammen. Wir sehen es als Leihgabe an. Ich lasse von den anderen draußen vor den Mauern einen Turnierplatz herrichten, sagen wir, morgen, und dann wollen wir mal sehen. Mit Wetten natürlich. Wenn du den Mut hast.«
»Felix! Claes!« rief Marian de Charetty.
Felix schob sich mit der Lampe in der Hand an ihr vorbei, überquerte den Hof und schlug krachend die Haustür hinter sich zu. Hof und Keller blieben finster zurück. Hinter sich hörte sie Claes’ leises Lachen, dann ein dünnes Kratzen, und gleich darauf leuchtete eine Kerze auf, die er mit der Hand vor dem Luftzug schützte. Er hatte den Helm abgenommen und sah eine Spur ernsthafter aus.
»Er wollte eine Turnierausrüstung. Wahrscheinlich hat er sie schon. Ich mache mir Gedanken wegen der Gesellschaft Weißer Bär. Die haben nach Ostern ihr großes Turnier.«
Sie starrte ihn an. »Das wird er doch nicht versuchen wollen!«
»Vielleicht doch. Mit der richtigen Unterstützung könnte er zugelassen werden. Anselm Adorne war nur wenig älter, als er seine ersten Turniere austrug.«
»Aber er war geübt. Die Männer der Familie Adorne wurden alle von Meistern des Turnierkampfs ausgebildet.«
»Vielleicht ist auch Felix bei so einem Meister in der Lehre. Es würde mich nicht wundern. Er ist sehr selbstbewußt. Aber es kann nicht schaden herauszufinden, wie gut er wirklich ist.«
Er hatte sich in Bewegung gesetzt. Sie blieb, wo sie war. »Wie gut bist du denn?«
»Nicht besonders gut. Ich hoffe, wir sind ungefähr gleich stark. Egal, wie es kommt, er muß siegen. Ihr braucht Euch nicht zu sorgen. Felix kann nichts geschehen. Und ich werde zum ersten Mal in meinem Leben Prügel in voller Rüstung bekommen. Im Steen hätte ich so ein Ding gebrauchen können.«
Die Vorbereitungen für den Kampf zwischen Felix und dem ehemaligen Lehrling seiner Mutter dauerten zwei Tage. Den größten Teil übernahm Felix selbst. Er trommelte seine Freunde zusammen und stürzte sich mit solch wütender Verbissenheit in das Unternehmen, als rüstete er zu einem Krieg. Aber mit der Zeit und mit Zutun seiner Freunde vergaß er allmählich seinen Zorn und begann, die Sache zu genießen. Er beschloß, im vollen Glanz seiner Rüstung sein ganzes Können vorzuführen und seinem guten, wenn auch etwas großmäuligen Freund Claes eine klare Niederlage beizubringen, ohne ihn allzusehr bluten zu lassen. Und so die Wette zu gewinnen, deren Einsatz allerdings auf Betreiben seiner Mutter auf ein Paar Panzerhandschuhe herabgesetzt worden war.
Als der Tag näher rückte, dachte er, daß ihm an Rüstzeug eigentlich nichts Besseres zustehe als das, was im Haus war. Er bediente sich also aus diesem Fundus, konnte es sich aber nicht verkneifen, seinen eigenen prächtigen Helm mit dem Adlerkopf und dem roten Federbusch aus seinem Versteck zu holen. Er bat Guildolf von Gruuthuse, zu behaupten, der Helm sei eine Leihgabe von ihm. Langsam freute er sich auf den Kampf. Von seinen eifrigen Vorbereitungen angesteckt, liehen sich einige seiner Freunde die Pferde ihrer Väter und verkündeten, daß sie auch mitmachen wollten. Bald darauf erschienen zwei bitterernste Abgesandte der Stadt und erklärten, derartige bewaffnete Auseinandersetzungen seien, wenn nicht rechtzeitig angemeldet, gesetzlich verboten, auch wenn es sich nur um einen Spaß handle. Beim Wort »Spaß« wurde Felix wütend, und John Bonkle mußte den beiden Männern etwas Geld zustecken, um sie zu besänftigen.
Der Tag graute, es war kalt und naß. Das ganze Haus leerte sich.
Aber nein, Unsinn! In Färberei und Walkerei wurde gearbeitet, wie es sich gehörte, und im Haus hallten die Schritte der Diener wider. Aber Felix und Claes waren gegangen und hatten die Bande junger Männer mitgenommen, die sie begleitete, dazu eine Horde Pferde, einen Schubkarren voller Rüstzeug und Lanzenfähnchen, an
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