Niccolòs Aufstieg
andere Richtung, um sie davon abzubringen. »Eines Tages werde ich heiraten. Natürlich sollte keiner zuviel erwarten. Aber meine zukünftige Frau würde es vielleicht auch bedauern, wenn sie bloß einer Laune gefolgt wäre.«
»Ich erwarte zuviel. Was ich möchte, gibt es nicht. Deshalb …«
Mit Höflichkeiten war es nun nicht länger getan, und das, worüber sie redeten, mußte deutlich ausgesprochen werden. Das bedauerte er. Denn am Ende würde sie ihn hassen. Er gab ihre Hand frei, stand auf, und jetzt umfing ihn der Feuerschein. »Ihr wollt Euch meiner also ersatzweise bedienen. Vielen Dank, aber ich fühle mich nicht geschmeichelt. Und Ihr irrt Euch. Es gibt viele Männer, die Euch glücklich machen würden.«
Auch sie sprach jetzt offen mit ihm. »Dann zeig mir wie. Ich will meiner Laune folgen. Du trägst keine Verantwortung dafür.«
Er stand da und sah zu ihr hinunter. »Natürlich trage ich Verantwortung dafür. Wir sind verschiedener Herkunft. Es könnte Folgen haben.«
»Es wird keine Folgen haben. Sonst hätte ich dich überhaupt nicht herbringen dürfen. Macht dir irgendwas anderes angst? Oder erfülle ich etwa deine Ansprüche nicht? Könntest du mich dann wohl einem Freund empfehlen?«
Sie sprach außerordentlich schroff wie damals in Damme. In ihren Wimpern hingen Tränen. »O Gott«, sagte er, kniete nieder und ergriff erneut ihre Hände. »Was Ihr dabei verliert, würdet Ihr für immer verlieren.«
»Würdest du damit prahlen?« fragte sie. Und fügte gleich hinzu: »Nein, entschuldige. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, daß du das nicht tätest.«
»Ihr kennt mich überhaupt nicht«, sagte er verzweifelt. Sie roch nach einem guten Parfüm. Er versuchte, seine Hände still zu halten und seinen Verstand zum Denken zu zwingen. Plötzlich entzog sie ihm eine Hand, legte sie auf seine nackte Schulter und strich ihm über seinen muskulösen, von blauen Flecken übersäten Rücken, immer und immer wieder.
Könntest du mich dann wohl einem Freund empfehlen?
»Ich werde Euch zeigen, wie es ist. So behutsam wie möglich, damit Ihr mich aufhalten könnt, ehe es zu weit geht. Und auch dann werde ich noch versuchen aufzuhören, wenn Ihr es wünscht. Und sollte ich nicht aufhören, so müßt Ihr Gewalt anwenden. Ich weiß nicht, wieviel Ihr über Männer wißt.«
Sie hatte ihre Wange an seine gelegt, und er spürte, wie sie lächelte und wie ihr Herz klopfte. Ihre Stimme klang ganz rauh. »Gelis sagt, daß du der leidenschaftlichste Liebhaber in Brügge bist; jedenfalls behaupten das alle Mädchen, die sie fragen konnte. Und daß du ihnen immer sagst, du könntest aufhören, sie das aber nie wollen.«
Sie war ein Kind. Und weil zwei Männer grausam gewesen waren und ihre Mutter herzlos, würde er sie nun verführen müssen.
Oder anders herum.
Oder keins von beidem. Er würde sie hinauf in ihr Schlafzimmer tragen und sie, wie ihre zukünftigen Liebhaber auch, auf ihr Bett legen. Dann wollte er sie so behutsam, wie seine Leidenschaft es zuließ, entkleiden und liebkosen und sie so zärtlich wie möglich in die Liebe einführen. Und dann wollte er - falls sie ihn nicht aufhielt - machtvoll dorthin Vordringen, wo er gebraucht wurde, so daß sie sich ein Leben lang an diese nie gekannte Lust erinnerte, und nicht an den Schmerz.
Wie die meisten seiner gut durchdachten Vorhaben ging alles nach Wunsch, nur daß er danach einschlief, was er nicht beabsichtigt hatte, was unter den gegebenen Umständen aber begreiflich war.
Er wachte im Bett auf, ein schlafendes Mädchen im Arm, deren langes welliges Haar sich über seinen Körper schlängelte. Im Schlaf sah ihr Gesicht anders aus; rosig, friedlich, zufrieden. Es spielte noch ein Lächeln um ihren Mund, und er lächelte ebenfalls, zweifellos aus demselben Grund. Dann, in die Wirklichkeit zurückgekehrt, sah er zum Fenster. Noch dunkel, Gott sei Dank. Die Dienerschaft würde kaum vor dem Morgengrauen zurück sein und die Eltern noch später. Dennoch hätte er schon längst fort sein sollen.
Normalerweise wußte er genau, wie lange es dauern, wann er es auf den Höhepunkt zutreiben sollte. Wieviel Zeit er sich für zärtliche Worte danach nehmen wollte. Aber dies hier entsprach kaum seinen üblichen Erfahrungen. Zunächst mußte er einmal die Küche aufräumen und seine Kleider holen.
Vorsichtig löste er sich von Katelina und verließ leise das Zimmer. In der Küche sagte ihm die Sanduhr, daß es noch etwa vier Stunden bis Tagesanbruch waren.
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