Niccolòs Aufstieg
ganzen Tag in Anspruch, und Jongeheer Felix de Charetty sprach eine unmißverständliche Entlassung aus. Meester Olivier, den bereits gewisse Gerüchte aus Brügge erreicht hatten, war mit dem Packen teilweise schon fertig und durfte, nachdem er einige Dokumente unterzeichnet hatte, auch den Rest noch einpacken. Am Abend war er weg.
Der junge Handelspartner eines Kaufmanns, den Claes mitgebracht hatte, weil er die Abrechnungen prüfen sollte, erklärte sich gleich bereit, einstweilen den Posten des Geschäftsführers zu übernehmen, was die Lage für alle erleichterte. Felix überließ es Claes, ihn anzulernen, und ging los, um seine Freunde von der Universität über das Leben in der Geschäftswelt aufzuklären. Im Morgengrauen kehrte er heim, und im Kontor des Geschäftsführers brannten immer noch verschwenderisch Kerzen. Aber er war zu müde, um sich zu beschweren.
Als er am nächsten Morgen aufstand, war das Haus leer und das Frühstück auf dem Tisch kalt. Als er hinausschaute, sah er mitten auf dem Hof eine Gruppe Leute stehen. Sie hörten Claes zu, der auf einem Schubkarren zu sitzen schien und mit ihnen redete. Der neue Geschäftsführer, ein rothaariger Mann, mit dem Felix manchmal gekegelt hatte, stand aufmerksam neben Claes. Während Felix noch hinausschaute, fand die Besprechung ein Ende. Die Leute liefen wieder auseinander, und Claes und der Geschäftsführer gingen zur Pfandleihe und den Lagerräumen. Felix begab sich nach unten.
»Ah, da bist du ja«, sagte Claes. »Wenn du gefrühstückt hast, sollten wir uns auf den Weg machen. Leute, die in Schlössern wohnen, haben es nicht gern, wenn man sie warten läßt. Müssen wir jemanden mitnehmen? Wir könnten doch auch allein nach Genappe reiten.«
Claes wolle einen Freund auf Genappe besuchen, natürlich nicht den Dauphin, sondern bloß einen aus der Leibgarde am Hof des Dauphin. Raymond du Lyon heiße er. Es werde nicht lange dauern. Nur ein Nachmittagsritt von Löwen; es könne sein, daß er sonst keine Gelegenheit mehr habe, Raymond zu treffen. Und wenn Felix nicht erpicht darauf sei, müsse er nicht mitkommen.
Felix (sagte Felix) sei keineswegs erpicht auf den Ritt, geschweige denn bereit, dem Ausflug eines Dieners nach Genappe zuzustimmen. »Du denkst nie an deine Herrin«, sagte er. »In der Arbeitszeit und mit ihren Pferden willst du einen privaten Besuch machen. Ich reite nach Brügge zurück, um darüber zu berichten, und du kommst mit. Das ist ein Befehl.«
»Na schön«, sagte Claes friedfertig. Die Aprilsonne bräunte seine Haut und ließ das unvermeidliche Blau seiner Charetty-Tracht aufleuchten. »Allerdings werde ich dem Dauphin eine Erklärung zukommen lassen müssen. Er erwartet uns heute abend.«
»Was?«
»Du hast noch geschlafen. Mein Freund Raymond hat heute morgen eine Nachricht geschickt. Der Dauphin will uns beide sehen. Eine große Ehre für jemanden wie mich.«
»Das wäre es, wenn du hingehen würdest. Ich gehe allein und werde ihnen sagen, daß du krank bist.«
Claes erhob keine Einwände. Das gefiel Felix gar nicht. »Ja, sicher«, erwiderte Claes in demselben versöhnlichen Ton, »das könntest du ihnen jetzt gleich sagen. Das da drüben ist die Eskorte, die uns nach Genappe geleiten wird. Ich habe leider schon mit ihnen gesprochen, aber vielleicht glauben sie dir, daß ich krank geworden bin. Ich könnte einfach umfallen.« Er warf einen taxierenden Blick auf den Hof und trat einen Schritt zurück.
Die ganze Sache, merkte Felix plötzlich, war ziemlich dumm. Und komisch. Sein Mißmut begann sich zu legen, und er seufzte. Claes sah sofort auf und lachte. »Hast du wirklich geglaubt, du kommst mit der Behauptung durch, daß Guildolf von Gruuthuse dir diesen albernen Helm geliehen hat? Wenn es seiner wäre, hättest du vor Neid schon längst Eiterbeulen im Gesicht. Nun mach schon. Du hast nie überzeugend lügen können.«
»Weiß Mutter…?«
»Natürlich weiß deine Mutter, daß du etwas planst. Halb Brügge weiß es. Es heißt, daß du den Dauphin auf der Jagd getroffen und mit ihm über Hunde geredet hast und daß er dich mochte. Dann habe er dich nach Genappe eingeladen und einem seiner Waffenmeister befohlen, dich den Turnierkampf zu lehren. Und jemand habe dir eine Rüstung geliehen. Warum willst du nicht darüber sprechen?«
»Sie haben mir die Rüstung überlassen. Als Geschenk. Mutter hätte mir nie erlaubt, sie zu behalten. Schlecht fürs Geschäft. Die Kunden könnten glauben, das Haus Charetty spinne
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