Niccolòs Aufstieg
Intrigen mit dem Dauphin. Was die Leute eben so sagen. Jedes Land, das Frankreich haßt, hat Spione auf Genappe und intrigiert mit dem Dauphin. Damit er ihnen seine Gunst erweist, wenn er nach dem Tod seines Vaters König von Frankreich wird.«
»Du meinst, du spinnst keine Intrigen mit dem Dauphin? Wie enttäuschend. Ich dachte, ich könnte mich dir anschließen und auch eine Turnierrüstung bekommen.«
Felix brach in Gelächter aus. »Dafür hast du kaum den richtigen Stil. Aber weißt du, ich habe mir was ausgedacht.«
»Was?«
»Nach deinem nächsten Geschäft gibst du mir und nicht Mutter den Gewinn, dann kann ich die Rüstung kaufen. Und bin niemandem etwas schuldig.«
»Und dann kann deine Mutter die Rüstung wieder verkaufen und erhält ihren Gewinn.«
»Wohl kaum«, sagte Felix.
»Dann müssen wir uns etwas anderes ausdenken. Später. Komm jetzt. Auf nach Genappe, wenn wir uns schon dazu entschlossen haben.«
Besser als die windgepeitschten Niederungen bei Brügge kannten Felix und seine Diener die liebliche, hügelige Landschaft um Löwen. Jetzt zu Beginn des Frühjahrs wartete an jeder Wegbiegung die ganze Schönheit der Natur und, für Felix, alle Verheißung. Er vergaß, wie lästig ihm Claes’ Anwesenheit gewesen war. Er war ein Mann von Format, der von Fürsten eingeladen wurde.
Claes, der Felix kannte, beobachtete, wie er einen Angehörigen der Eskorte des Dauphin nach dem anderen ins Gespräch zog und sie ihm höflich antworteten. Keiner konnte es dem Charetty-Erben an Kostbarkeit und Eleganz der Kleidung gleichtun. Claes bekam unversehens einen Eindruck von pelzverbrämten Säumen und violetten Rüschen. Nicht zu übersehen war auch der sehr hohe Hut, den Felix aufhatte.
Claes hoffte, daß Felix den Ritt genoß, denn er war sich nicht sicher, was sie beide auf Genappe erwartete. Bis jetzt hatte der Dauphin Arnolfini als Mittelsmann eingesetzt. Eine Begegnung wie diese - wenn sie denn stattfand - würde eine direkte Verbindung zwischen Mailand und Genappe herstellen. Und wenn sie stattfand, wie würde sie verlaufen? Mit Prinzen hatte Claes keine Erfahrung. Der Graf von Urbino im letzten Winter war der vornehmste Adlige, dem er je begegnet war, doch es waren kurze Begegnungen, die auf dem Übungsplatz stattgefunden hatten, kein Kennenlernen, bei dem man erfährt, wie einer denkt. Am besten kannte Claes die Denkweise seiner früheren Arbeitsgenossen, von Felix und seinen Freunden, von Menschen wie Julius und Marian de Charetty. Im Gespräch mit Anselm Adorne war mehr Bedacht geboten. Auch bei den Griechen: Acciajuoli und dieser Frau, Laudomia. Der Professor war etwas ganz Neues gewesen, aber nur flüchtig: seine Denkweise folgte festen Mustern. Die von Tobias weniger.
Adlige … Der Umgang mit ihnen war nur schwierig wegen des ungewohnten Stils, der zunächst verdecken konnte, wie sie einen anzugreifen gedachten. Das traf auch auf Jordan de Ribérac zu, der vermutlich und ironischerweise abgesehen von Urbino wohl der ranghöchste Mann war, mit dem Claes je zu tun gehabt hatte.
Und nun ein Königssohn. Ein Königssohn, der sich Marian de Charetty zufolge gern schäbig, kameradschaftlich, ja sogar vulgär gab und demonstrativ fromm war. Der aber auch mit einundzwanzig Jahren Heere führte, die Dauphine regiert und mit Intrigen Herrschaftsgebiete in Italien eroberte; und der sich seinem königlichen Vater widersetzt und eine reizlose Zwölfjährige aus dem Haus Savoyen geheiratet hatte, weil die Gebiete ihres Vaters ihm eine gute Ausgangslage verschafften. Er widersetzte sich seinem Vater auf so vielfältige Weise, daß der König von Frankreich den Herzog von Savoyen zwang, sich von seinem Schwiegersohn Ludwig loszusagen und ihn, den König von Frankreich, als Souverän anzuerkennen. Dann kam die Flucht des Dauphin Ludwig nach Burgund. Nach Genappe, von wo aus er mit Mailand und dem Earl of Warwick gegen seinen königlichen Vater intrigierte und natürlich nicht wünschte, daß diese Tatsache durch Kuriere ausposaunt würde.
Aus vielerlei Quellen hatte Claes eine Menge über den Dauphin erfahren, aber es war seine Arbeitgeberin, die ihm letztlich am meisten geholfen hatte. Und zwar, als sie ihn schließlich festnagelte und fragte, warum er dort hingehe, und er es ihr gesagt hatte.
»Kuriere sind immer eine Gefahr. Wir alle wissen zuviel. Und plötzlich bedienen sich meiner nicht nur Gaston du Lyon, der Vertraute des Dauphin, sondern auch die Medici und die Sforza. Es ist nur verständlich,
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