Niccolòs Aufstieg
daß sie in Genappe herausfinden wollen warum. Und wen ich treffe. Und was ich weiß.«
Es war ein Schock gewesen für sie. Erst einen Moment später hatte er begriffen warum und schnell hinzugefügt: »Felix weiß natürlich nicht, daß er mehr erzählt, als er sollte. Davon bin ich überzeugt. Aber wenn wir ihn warnen und veranlassen, nicht mehr nach Genappe zu gehen, werden sie glauben, es gäbe etwas zu verbergen.«
»Warum gehst du dann dorthin?« wollte sie wissen.
»Nicht, weil er in Gefahr ist. Nur um zu bekunden, daß ich weiß, was vor sich geht. Ich habe nicht darum gebeten, den Dauphin zu treffen. Nur darum, mit Felix zusammen Raymond, den Bruder des Schatzmeisters, zu besuchen. Es wird seinen Zweck erfüllen. Wenn der Dauphin uns sehen möchte, wird er es uns wissen lassen.«
»Und wenn er dich sehen will, Nicholas? Ich habe dich schon einmal nach ihm gefragt. Und da hast du geantwortet, er sei viel zu klug, und du hättest nicht die Absicht, ihn zu hintergehen.«
Wenn Marian de Charetty ihn Nicholas nannte, war sie entweder zornig oder ängstlich. Er hatte sich erinnert, bei welcher Gelegenheit er diese Antwort gegeben hatte. Damals war sie beides gewesen, zornig und ängstlich; und er ebenfalls.
»Du wirst dich entscheiden müssen, nicht wahr?« hatte sie gesagt. »Claes oder Nicholas? Welchen von beiden willst du dem Dauphin vorführen?«
Da er nur eine Person war und kein Jahrmarktsungeheuer, hatte er angefangen zu lachen. Jedenfalls bestand kein Zweifel, daß er, was immer geschah, einer gründlichen Prüfung unterzogen werden würde, und zwar auf einer neuen Ebene. Das hatte ihn gefreut, bis ihm bewußt wurde, daß ebendies ein Beweis seiner Unerfahrenheit war. Jetzt stand der Besuch auf Genappe unmittelbar bevor. Jetzt hörte er wieder Felix zu, der noch einmal sagte: »Und du kniest dreimal nieder. Beim Hineingehen, beim Herausgehen. Denk um Gottes willen daran und mach mir keine Schande.« Und er hatte wieder angefangen zu lachen, weil er es wahrscheinlich sowieso vergessen würde. Armer Felix. Armer Claes. Viel Glück, Nicholas.
KAPITEL 23
Bald danach fiel Claes auf, daß die vorbildliche Eskorte, die man ihnen geschickt hatte, sie immer weiter von der Straße nach Genappe weggeführt hatte. Sie ritten über Felder und durch ein Wäldchen auf eine mit jungem Gras bewachsene Anhöhe zu, von deren anderer Seite Stimmengewirr, Hufgetrappel und erregtes Hundegebell herübertönten. Ein Horn wurde geblasen.
Das Gesicht unter seinem hohen Hut war rot vor Freude, als Felix sich zu Claes umwandte. »Der Jäger des Dauphin«, sagte er. »Er muß es sein. Sonst darf hier niemand jagen. Gleich wirst du es sehen. Kohlschwarze Pferde. Andere nimmt er nicht. Und die Hunde. Er hat zwei neue …«
»Monsieur hat recht«, sagte der Anführer ihrer Eskorte. Claes sah ihn erstaunt an, der Mann hatte eine ganze Stunde lang kein Wort gesprochen. Jetzt setzte er das Gespräch mit Felix fort. »Eben deshalb hat Monsieur le Dauphin darum gebeten, daß man Euch diesen Weg führt. Ihr habt doch nichts dagegen, an der Jagd teilzunehmen?«
Claes musterte die violetten Rüschen, den wattierten Rock mit dem Marderbesatz und den quastenbehangenen spitzen Hut, mit dem Felix wahrscheinlich in den unteren Ästen des nächsten Baums hängenbleiben würde. »Hauptmann!« rief Felix begeistert. »Es ist mir eine Ehre!«
Der Hauptmann lächelte und spornte sein ruhig trottendes Pferd zu leichtem Galopp an. Felix tat es ihm nach. Ebenso der Rest des Zugs. Nur Claes nicht. Der fiel vom Pferd. Der Hauptmann und Felix, schon ziemlich weit vorn, setzten den Hang hinauf, ohne etwas zu bemerken. Die anderen Reiter, die sehr wohl etwas bemerkt hatten, stellten sich dumm und ritten weiter. Der letzte, der Claes sogar ausweichen mußte, beugte sich herab, faßte die Zügel von Claes’ Pferd und führte es mit sich fort.
Claes setzte sich im Gras auf und rief ihm hinterher. Aber der Reiter entfernte sich ungerührt in flottem, gleichmäßigem Tempo den Hügel hinauf. Claes ließ die Arme über den Knien hängen, holte einmal tief Luft und rief ihnen noch einmal hinterher. Der Reiter überquerte die Hügelkuppe. Das letzte, was Claes von der Eskorte sah, waren die beiden aufgestellten Ohren seines Pferds vor dem Horizont.
Der Sattel, der mit ihm vom Pferd gefallen war, lag etwas entfernt verkehrt herum in der Wiese, und neben ihm war eine Hacke in den Boden gerammt, auf die gefährlich schräg ein Mann gestützt stand. Seine
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