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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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antwortete Claes. »Wie Euer Bruder Euch bestätigen würde.«
    Raymond du Lyon lächelte wieder, ging aber auf die Bemerkung nicht ein, sondern sagte nur: »Mein Herr, der Dauphin, wünscht, Euch zu sprechen. Kommt.«
    Die krummen Beine von sich gestreckt, saß der französische Thronfolger auf einem Polster und entsprach recht genau den Beschreibungen, die der Klatsch von ihm lieferte. Unter dem spitzen Hut mit der schmalen Krempe die schmale, abwärts gebogene Nase, die wulstigen Lippen und das fliehende Kinn. Der mißtrauischste Mensch unter der Sonne, hatte jemand einmal gesagt. Die hübsche Margaret von Schottland, mit elf Jahren zur Ehe mit ihm gezwungen und von seinem Vater geschändet, war mit zwanzig voll trotziger Verachtung gestorben, unabänderlich kinderlos dank einer Diät aus grünen Äpfeln und Essig. Die reizlose Chalotte von Savoyen, die im Alter von zwölf mit ihm verheiratet wurde, war mit zwanzig bereits zweimal schwanger gewesen und hatte keine Gelegenheit gehabt, sich von Ludwigs Vater schänden zu lassen. Der Dauphin hatte ihn das letzte Mal vor dreizehn Jahren gesehen. Damals war er nach Burgund geflohen, und sein Vater hatte den berühmten Ausspruch getan: Der Herzog von Burgund hat sich einen Fuchs in den Hof geholt, der seine Hühner fressen wird .
    Die aß er jetzt gerade, in ein Mundtuch eingeschlagen. Claes näherte sich und kniete, um Felix nicht bloßzustellen, wie vorgeschrieben dreimal nieder, während der Dauphin das Fleisch weglegte und sich Mund und Hände abtupfte. Claes küßte ihm die Hand, die sowohl nach Fuchs als auch nach Huhn roch. Nachdem er sich im Gras niedergelassen hatte, bekam er ein Stück Weizenbrot mit einem Rippenstück und einer Hühnerkeule, die in Soße schwammen, dazu einen hölzernen Krug mit Bordeauxwein.
    Der Dauphin begann zu sprechen. Er sprach französisch, und infolge einer Fehlbildung des Gaumens oder der Zähne, vielleicht sogar der Zunge, kamen die Worte wie gelallt und nicht immer verständlich über die Lippen, was ihn aber nicht daran hinderte, viel und schnell zu sprechen. »Ich habe da eine Aufgabe, die einen frischen Verstand braucht, mein guter Nicholas. Monsieur le Bâtarde, wo haben wir sie?«
    Einer der Edelleute stand schweigend auf, öffnete seine Tasche und reichte dem Dauphin ein Blatt Papier. Nein, ein Pergament. Mit Schaubildern.
    Der Dauphin hielt es Claes hin. »Du warst mit deinem jungen Herrn Felix in Löwen. Ich habe euch beim Unterricht des Rektors gesehen. Monsieur Spierinct. Er hat mir diese Übersicht gezeichnet, aber manchmal, wenn ich den Kopf mit Geschäften voll habe, fällt mir der Schlüsselcode nicht mehr ein. Übersetze es mir.« Es war ein Horoskop in lateinischer und griechischer Sprache. Alle Welt wußte, daß der Dauphin sich seine eigenen Astrologen hielt. Wahrscheinlich war sogar einer von ihnen zugegen.
    Claes oder Nicholas? Nicholas sah den Dauphin mit ernstem Blick an. »Ja, Monseigneur. Ich habe die Geheimschrift der Medici entschlüsselt.«
    Er spürte die Unruhe hinter sich. Der Blick vor ihm war scharf wie das Jagdmesser des alten Mannes. »Nun«, sagte der Dauphin, »immer Schritt für Schritt. Kannst du diese Urkunde deuten?«
    »Monseigneur, vergebt mir.« Claes nahm das Pergament und betrachtete es. »Bis hierher kann ich es lesen. Danach müßte ich es verbessern. Dem Schreiber ist ein Fehler unterlaufen.«
    Einer aus der Gruppe stand unmittelbar neben ihm. »Habt Ihr das gehört, Monsieur?« fragte der Dauphin. »Meinem Schreiber ist ein Fehler unterlaufen. Zeig es dem Herrn, Nicholas.«
    Auch das war vorauszusehen gewesen. Während er sprach, schloß Claes im stillen seine Berechnungen ab. Ging sie noch einmal durch. Hob dann das Pergament und benutzte den Hühnerknochen als Zeigestab. »Diese Zahlen sind falsch* Richtig müßte es so aussehen.«
    Mitten in der Erläuterung rief der andere Mann: »Halt!« Er sah erhitzt aus. »Mein Dauphin, das ist richtig.«
    Ein kurzes Schweigen folgte. Der Dauphin war sichtlich erstaunt. »Gebt dem jungen Mann noch zu essen und mehr Wein«, befahl er. »Muß er einen Hühnerknochen in die Höhe halten, um uns daran zu erinnern, daß wir schlechte Gastgeber sind? Mein Freund, Nicholas, gut, daß wir uns kennengelernt haben. Wir sitzen am selben Brett. Fragt sich nur, ob auch auf derselben Seite.«
    »Monseigneur, das kann Monsieur Gaston Euch sagen. Ich stehe im Dienst einer Bürgerin von Brügge. Ihre Truppe wurde vom Herzog von Mailand angeworben, König

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