Niccolòs Aufstieg
Mutter Gottes, die Wahnsinnige hat ihn geheiratet!«
Julius begann zu lachen. Und lachte weiter, während Thomas erschrockene Fragen stellte und Astorre in heißer Wut sämtliche zu erwartenden Entsetzlichkeiten aufzählte, von der Beleidigung ihrer Würde bis zum drohenden Zusammenbruch des Unternehmens, der aus ihnen allen Bettler machen würde, wenn sie nicht bereit wären, sich von einem frechen jungen Hengst befehlen zu lassen, der, wie alle wußten, nur eines konnte, und das ausgenutzt hatte, um sich genau da einzuschleichen, wo ein anständiger Mann nie hingekommen wäre.
Immerhin hatte sich Julius wieder hinreichend gefaßt, um darauf hinzuweisen, daß zumindest für Tobias’ Abreise aus Mailand der Grund ein anderer gewesen sein mußte als die fehlgeleitete Heirat der Demoiselle, die ja zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht stattgefunden hatte. Aber davon wollte der wutschnaubende Astorre nichts wissen. »Zu einer Heirat ist es doch nur gekommen, weil es sonst einen Skandal gegeben hätte. So oft hat dieser hinterhältige Lump Claes sie beschlafen! Vielleicht hat Tobias ihn angestiftet. Vielleicht sogar Lionetto! Vielleicht ist Lionetto der neue Charetty-Hauptmann und jetzt auf dem Weg nach Süden, um uns alle auszulöschen und dem jungen Paar den Sold für uns zu sparen. Ich bring ihn um!«
»Wen?« fragte Julius.
»Die ganze Bande!« brüllte Astorre mit unwiderlegbarer Logik und trank sich in einen Zustand hinein, in dem er fähig war, mit dem Stärksten Streit anzuzetteln und den Kampf auch noch zu gewinnen.
Julius brauchte zwei Tage, um ihn zu besänftigen, ohne, im Interesse des Königs von Neapel, die schwelende Glut der Feindseligkeit zu ersticken, die, wie Thomas einmal gemutmaßt hatte, wahrscheinlich allein schon ausreichen würde, um dem Feind den Garaus zu machen Julius selbst war weder wütend noch neidisch, er wurde nur immer vergnügter und immer gespannter. Aus welchem Grund auch immer, etwas hatte begonnen. Und was würde nun daraus werden?
Eine Woche bevor die Nachricht von der Heirat bei Julius eintraf, brach Nicholas nach Mailand auf. In Brügge ließ er eine mutige Frau und zwei weinende kleine Mädchen zurück. Und mit ihnen Gregorio in Erwartung des stündlichen Eintreffens von Cristoffels. Er vertraute auf die beiden Männer. Gemeinsam konnten sie, auch ohne ihn, mit dem Wiederaufbau beginnen. Und in drei, vier Tagen sollte eigentlich auch Felix aus Genappe heimkehren und seiner Mutter beistehen können.
Tatsächlich traf der junge Geldhändler Cristoffels aus Löwen erst drei Tage nach Nicholas’ Abreise in Brügge ein. Er wußte nichts von dem großen Brand und wähnte die Demoiselle de Charetty und ihren neuen Ehemann bereits auf dem Weg nach Dijon und Genf. Sprachlos über die Neuigkeiten beantwortete Cristoffels die scharfen Fragen der Demoiselle nach ihrem Sohn Felix nicht sogleich, beruhigte sie aber, sobald er sich gefaßt hatte. Es gehe dem jungen Herrn gut. Er habe sich auf Genappe offenbar gut unterhalten und auf dem Rückweg in Löwen haltgemacht, um die Pferde zu wechseln, ehe er mit seinen Leuten nach Süden weitergeritten sei. Er habe ja von dem Brand und den geänderten Plänen seiner Mutter nichts gewußt und sich vorgenommen, ihr und Meester Nicholas zu folgen. Also nach Dijon zu reiten. Und weiter nach Genf, sollte er sie dort nicht antreffen.
An dieser Stelle hielt Cristoffels aufgrund des Blicks der Demoiselle irritiert inne und sah Gregorio an, der ihm jedoch nicht weiterhalf.
»Ich bin froh, daß ich weiß, wo Felix ist«, sagte die Demoiselle dann. »Ich habe kurz daran gedacht, ihm nachzureiten. Aber er wird schon bald mit Nicholas Zusammentreffen und hören, wie die Dinge stehen. Wahrscheinlich ist er bereits nächste Woche hier bei uns.«
Cristoffels schwieg diskret. Er berichtete detailliert, was Felix gesagt hatte, als er von seinem Plan sprach, seiner Mutter und ihrem neuen Ehemann zu folgen. Felix’ Miene dabei beschrieb er nicht.
Ebendiese Miene zeigte Felix, inzwischen auf dem Weg nach Dijon, seinen Leuten, die es daraufhin für klüger hielten, den Mund zu halten und sich damit abzufinden, daß die Reise so unerfreulich werden würde wie immer, wenn der Jongeheer schlechter Laune war.
In Dijon blieb er nicht lange, ehe er ohne seine Mutter und Claes wieder aufbrach. Nein. Nicholas mußte man ihn jetzt ja nennen! In einer schönen Stimmung war der Jongeheer da, kein Wunder: Unnahbar bis ins Letzte, damit nur keiner es wagte, etwas über
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