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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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unversehrt. Geschäftlich zugrunde gerichtet, aber unversehrt.«
    Für ein so großes Gesicht waren Esotas Augen kümmerlich, auch wenn ihr Blick wach war. Sie blieben auf den Jungen gerichtet, und nachdem sie eine seiner Hände ergriffen hatte, führte sie ihn zur Polsterbank zurück, setzte sich neben ihn und umschloß seine Finger mit beiden Händen. »Trotzdem mutterlos«, sagte sie. »Durch diese unglückselige Heirat, die einer unschuldigen Witwe aufgezwungen wurde. Könnt Ihr uns je verzeihen? Eure Mutter ein Opfer der Gewalt, die ihr durch einen Schurken aus unserem Haus angetan wurde!«
    Jaak de Fleury, der an Stelle seiner Frau den Wein für den Gast einschenkte, drehte sich um, »Aber das sind doch nur Gerüchte, Esota. Darüber wollen wir nicht sprechen.«
    »Es ist wahr«, sagte Felix.
    Sie starrten ihn an. Als er es merkte, nahm er sich zusammen. Er holte tief Luft. »Das mit der Gewalt nicht. Wenn das behauptet wird, bitte ich Euch, es zu bestreiten. Der Ehevertrag, den Nicholas und meine Mutter vor kurzem geschlossen haben, ist eine rein geschäftliche Vereinbarung. Nach Ansicht meiner Mutter ist Nicholas trotz seiner niederen Herkunft sehr geschäftstüchtig und kann ihr bei der Führung des Unternehmens eine große Hilfe sein. Durch diesen Vertrag erhält er die geeignete Vollmacht.«
    Die Frau ließ seine Hand los. »Nicholas!« sagte sie amüsiert.
    »Das wird wohl sein Taufname sein«, sagte Jaak de Fleury nachdenklich. »Für uns ist er natürlich immer noch der, als den wir ihn in unserer Küche gekannt haben. Es gibt sicher nur wenige, denen eine solche Schicksalswende beschert wird. Geschäftssinn, sagt Ihr? Er ist also jetzt Teilhaber Eurer Mutter?«
    »Nein. Er bekommt nur eine Entlohnung. Bekam sie. Jetzt wird nicht mehr viel abfallen«, sagte Felix. »Besitz ist keiner mehr da.«
    »Außer Schulden.« Jaak de Fleury setzte sich. Sinnend blickte er in sein Glas. »Es sei denn, es ist Vermögen vorhanden, von dem wir nichts wissen. Ihr sagtet doch, er sei geschäftstüchtig.«
    »Wir haben Grundbesitz. Wir haben Löwen. Und noch andere Geldanlagen. Da ließe sich schon etwas machen. Wir werden uns beraten.«
    »Ihr glaubt nicht, daß irgendwo noch Geld liegt? Bares vielleicht? Oder Angelegtes? Ich frage nur, weil bei Brandstiftung im allgemeinen jemand Gewinn daraus zieht und das hier scheinbar nicht der Fall ist.«
    »Brandstiftung?« Felix’ Magen, der sich allmählich beruhigt hatte, begann von neuem zu rebellieren. Sein Haar, am Morgen noch fest aufgerollt, hatte sich in der Hitze gelöst. »Der Brand ist gelegt worden?«
    »Angeblich, ja. Nicht von Eurer Mutter oder Euch selbst, versteht sich. Aber vielleicht von jemandem mit einem Groll gegen den neuen Dienstherrn. Was könnte sonst dahinterstecken? Obwohl ich sagen muß … Ah, ich höre Stimmen von unten. Das wird Euer Stiefvater sein.«
    Felix wiederholte das Wort nicht einmal. Er blickte seinen Peiniger nur stumm an.
    Jaak de Fleury lächelte. »Nicholas. Er ist doch Euer Stiefvater? Habt Ihr nicht gewußt, daß er sich in Genf aufhält? Er macht bei Francesco Neri vom Haus Medici Besuch. Ich habe mich schon gefragt, ob er mein bescheidenes Haus als nächstes beehren würde. Und nach Eurer Ankunft, mein Junge, habe ich natürlich sofort jemanden zu Francesco gesandt, um ganz sicher zu sein, daß Nicholas herkommt. Ihr wollt ihn doch nicht verfehlen. Und ich muß gestehen - ich muß gestehen«, wiederholte Jaak de Fleury, stand auf und stellte sein Glas auf den Tisch, »daß ich sehr neugierig bin. Warum ist er nach diesem Unglück nicht in Brügge, um seiner Ehefrau in dieser Stunde der Not mit seinem hervorragenden Geschäftssinn beizustehen? Was kann ihn gerade jetzt nach Genf führn? Und wohin will er danach? Ganz gleich, wie großzügig seine Entlohnung als Geschäftsführer ist, da wird es doch eine Grenze geben. Wirklich alles hochinteressant.«
    Er blieb stehen, als sich die Tür öffnete, und auch Felix stand auf. Jaak de Fleury sah lächelnd zu seiner Frau hinunter, »Esota, meine Liebe, du erinnerst dich an Claes, der nun Felix’ Stiefvater ist? Um Felix’ willen solltest du ihn hierher, in dein Empfangszimmer, bitten. Ich bin sicher, er wird dieses Entgegenkommen nicht mißbrauchen.«
    Der hochgewachsene Mann vor der Tür trat ein. Es war, wie Felix sofort sah, nicht Claes, sondern Nicholas. Nicht mit der bleichen, schweißfeuchten Haut des Färberlehrlings, sondern gebräunt von der frischen Luft. Nicht im Blau des

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