Niccolòs Aufstieg
habe oder nicht, ich werde es besorgen.«
KAPITEL 31
Ohne zu ahnen, daß das Haus Charetty in rauchenden Trümmern lag und, schlimmer noch, die Witwe Charetty keine Witwe mehr war, nahm Thomas, ihr zweiter Söldnerführer, stoisch seinen Weg nach Süden, dem Kampf entgegen. Vier Schwadronen Lanzenreiter begleiteten ihn und fünfzig Mann, die bereit waren, wenn auch noch ohne ausreichende Übung, die Faustfeuerwaffen zu benutzen, die Claes, diese Geißel Gottes, ihm aufgehalst hatte.
Mit ihm ritten außerdem Gottschalk und Abrami, zwei Burschen, die ebenfalls Claes ausgesucht hatte. Aber um sie war Thomas froh. Abrami, ein ungarischer Armbrustschütze, der in Deutschland ausgebildet war, verstand mehr von Faustfeuerwaffen als er. Und Gottschalk war nicht nur Schreiber, sondern dazu ein recht zuverlässiger Heilkundiger. Wenn Thomas' Bremsenstiche sich entzündeten, was oft vorkam, wirkte Gottschalk mit Salben und Pulvern Wunder. Thomas genoß die Reise nach Süden trotz der Meute Pferdeknechte und Dienstleute und des ganzen anderen Gesindels, das man auf einem langen Feldzug mitschleppte.
Das war das Unerfreuliche. Das Erfreuliche waren die Frauen. Die Witwe überließ diesen Teil eigentlich immer Astorre und ihm und beanstandete auch die Abrechnungen nur selten. Schließlich konnte man von einem Krieger nicht erwarten, daß er selbst für die Nahrungsmittel sorgte, sein Getreide mahlte oder seine Wäsche wusch. Solche Arbeiten waren Frauensache. Und nach dem Kampf stellte sich ein Mann unter Erholung etwas mehr vor als nur ein Würfelspiel und einen Becher Bier oder Wein.
In Neapel würde es an Frauen nicht mangeln. Ein Heer, das auf den Einsatz wartete, zog sie an wie ein Stall Pferde die verfluchten Bremsen, und sie nahmen einen genauso her. Und wenn nicht sie selbst, dann die Prügeleien, die es um sie gab. Da war es am klügsten, man nahm selbst Frauen mit. Auf den Karren saßen sogar ein paar Ehefrauen, von denen eine noch stillte. Ihr Säugling war bislang der einzige, den Thomas entdeckt hatte, manchmal gab es auch mehrere. Nun, der Vater mußte wissen, was er tat. Jeder Mann bekam nur einen Sold. Ob er damit mehr als ein Maul stopfen wollte, war ihm überlassen.
Thomas und sein Troß überquerten die Alpen ohne Zwischenfälle.
In Mailand warteten die Faustfeuerwaffen. Und eine Überraschung, die ihn jedoch nicht übermäßig erschütterte.
Ende April erreichten sie nach einigen taktischen Ausweichmanövern Neapel und konnten die Stadt hinter kalten Regenschleiern kaum erkennen. Er schickte einen Boten voraus, um Astorre von ihrer Ankunft zu unterrichten, und hoffte, es wären noch annehmbare Quartiere übrig, wo man trocken lag und nicht mehr Ratten als üblich im Stroh herumhuschten.
Im Schloß war genug Platz für sämtliche Heerführer, Hauptleute und diesen Aragon-Bastard König Ferrante. Mit der Unterbringung der Mannschaften war es eine andere Sache. In manchen Städten mußten sie in Holzhütten draußen zwischen den Stadtmauern und den äußeren Wehranlagen hausen. Manchmal mußten sie in ihren eigenen Zelten übernachten, und manchmal wurden sie einfach auf Familien verteilt, die sie sich aufzwingen ließen.
Thomas war froh, den Konsulenten Julius am Tor warten zu sehen. Er war in Begleitung eines gutgekleideten Mannes, der sich als der neapolitanische Verpflegungsbeauftragte erwies und einmal schnell den wohlgeordneten Zug von Reitern, Wagen und Packtieren hinunterritt, ehe er umkehrte und nickte. Nachdem Thomas ein Schreiber und ein Söldner zugeteilt worden waren, begannen er und Julius mit der Unterbringung der Leute und Tiere.
Zum Reden kam man dabei nicht. Astorre, sein Hauptmann, war auf einem Streifzug unterwegs. Das erfuhr er immerhin. Dann fragte Julius, wie die Reise verlaufen und ob in Brügge alles in Ordnung sei. Ja, sagte Thomas und fragte, ob Astorre noch immer derselbe alte Haudegen sei. Worauf Julius lächelnd erwiderte, er werde ihn sicher mühelos wiedererkennen.
Thomas, der Julius hin und wieder aufmerksam betrachtete, fand ihn auffallend verändert. Für einen Schreiberling war er immer schon ein gutgebauter Mann gewesen, mit dem groben, knochigen Gesicht eines geübten Kämpfers. Mehr als einmal hatte Astorre gemeint, es würde ihn nicht wundern, wenn die Witwe ihn eines Tages in ihr Bett holte, dann müßten sie fortan alle Meester Julius gehorchen. Aber wenn wirklich etwas daran war, hatte sie das nicht gehindert, ihn nach Italien zu schicken, und Julius nicht
Weitere Kostenlose Bücher