Niccolòs Aufstieg
Felix noch Nicholas zurück, und Tilde hoffte, sie würden nicht mehr lange ausbleiben. Sie hatte ein neues Kleid bekommen, da die alten verbrannt waren, aber sie hatten es mit Steifleinen füttern müssen. Natürlich sprach ihre Mutter im Augenblick nicht von Ehemännern, denn Ehe bedeutete Mitgift, und das Unternehmen mußte erst wieder auf die Beine kommen. Und obwohl ihre Mutter manchmal blaß aussah und in scharfem Ton sprach, weil sie so viel arbeitete, hatte sie gerade neulich erst gesagt, wie gut sich alles anlasse: genau wie von Nicholas geplant. Tilde hatte angenommen, sie würde nun doch über Freier sprechen, aber statt dessen hatte ihre Mutter das Zimmer verlassen.
Die Adornes sprachen auch von Nicholas, aber nicht ganz unbefangen, denn Anselm und seine Frau waren sich nicht völlig einig über das, was Marian und den jungen Mann verband. Aber wenn er nicht zu Hause war, widmete Anselm Adorne dem Thema viel Zeit, vor allem, wenn er bei den Doria und Spinola im genuesischen Konsulat war.
In der Medici-Niederlassung empfingen Angelo Tani und sein Stellvertreter Tommaso die Beauftragten von Marian de Charetty und erwiesen sich, wie von Nicholas vorausgesagt, als sehr hilfsbereit und verständnisvoll, was Schulden und die Notwendigkeit von Krediten anging. Ab und zu erkundigten sie sich auch bei Jacopo und Lorenzo Strozzi nach den Fortschritten in der Angelegenheit des für Mailand bestimmten Vogel Strauß. Um Nachrichten über den Strauß zu erhalten, verließ sich Lorenzo Strozzi jetzt auf Katelina van Borselens kleine Schwester. Dem letzten Brief aus der Bretagne zufolge war der Strauß noch am Leben, aber beschlagnahmt und konnte erst nach Abschluß eines Rechtsverfahrens an Bord eines Schiffes gebracht werden.
Gelis van Borselen, die in dieser Zeit so oft wie möglich nach Brügge wollte und häufig im Hotel Jerusalem und in der Spanjaardstraat vorsprach, hatte Lorenzo Strozzi in das Haus ihres Vaters kommen lassen, um ihm diesen Teil von Katelinas Brief bekanntzugeben. Sie fand Lorenzo Strozzi schwermütig, aber romantisch. Er hatte geschworen, hieß es, erst zu heiraten, wenn er ein eigenes Unternehmen besaß. Sie freute sich auf weitere Gespräche über Strauße.
Über den Rest von Katelinas Brief sagte sie weder ihren Eltern noch Lorenzo etwas. Es war der erste, der aus der Bretagne eintraf, nachdem Nicholas die alte Frau geheiratet hatte. Doch als Gelis das Siegel aufgebrochen und den Brief geglättet hatte, stand da gar nichts über Nicholas und die Hochzeit, denn ihre Briefe hatten Katelina noch nicht erreicht. Auch keine Briefe von anderen. Irgendein Schiff mußte untergegangen sein.
Sie würde alles noch einmal schreiben müssen. Und diesmal noch dazu über den geheimnisvollen Brand bei den Charettys, und daß Nicholas drei Tage danach Richtung Süden aufgebrochen und der Charetty-Sohn verschwunden war. Nicht bei einem Turnier ums Leben gekommen (wofür Nicholas verantwortlich gemacht worden wäre, wie er selbst gesagt hatte), sondern einfach aus Brügge abgereist und nie wieder gesehen. Wofür natürlich niemand Nicholas verantwortlich machen konnte.
Nicholas, für den sie und Katelina alles getan hatten, um ihn am Karnevalsabend aus dem Kanal zu fischen. Katelina hätte ihn nicht mit nach Hause nehmen sollen. Schließlich war sie noch nicht verheiratet. Und wenn sie nicht vorsichtig war, würde ihr Ruf leiden und sogar Guildolf von Gruuthuse würde anfangen, sich anderweitig umzusehen. Aus dem, was Katelina schrieb, ging nur hervor, daß Herzog Franz und der König von Frankreich dieselbe Mätresse hatten und der Hof in der Bretagne ebenso lasterhaft war wie alle anderen. Eine Antoinette Sowieso. Katelina sprach von ihr, als ob sie dauernd mit ihr zusammen wäre. Wahrscheinlich, um sich von der alten Herzogin zu erholen, der Schwester des schottischen Königs, die launisch und noch dazu dumm zu sein schien, denn sie wollte nicht in die Heimat zurückkehren und jemand anderen heiraten, jetzt, da ihr Mann tot war.
Katelina schrieb, bei Hof wimmle es von Schotten, die versuchten, den Rest der Mitgift der alten Herzogin zu ergattern, obwohl sie nie ausbezahlt worden sei. Katelina schrieb, Jordan de Ribérac sei eines Tages an den Hof gekommen in einer geschäftlichen Angelegenheit des Königs von Frankreich, der ihm Geld schulde und sich in allem auf ihn verlasse. Jordan de Ribérac reite oft an die Küste, um seine Schiffe zu prüfen. Katelina schrieb, sie tue so, als würde sie ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher