Niccolòs Aufstieg
kennen, er habe aber die Unverschämtheit besessen, ihr die Hand zu küssen und in Gegenwart der Herzogin mit ihr zu plaudern, als hätte er sie nie beleidigt oder nie versucht, Nicholas umzubringen. Katelina bat sie, Nicholas zu bitten, er möge ihr schreiben.
Katelina war eine Närrin.
Gegen Ende der ersten Juniwoche traf ein Kurier des Genfer Geschäftsführers der Medici mit Unterlagen für Angelo Tani ein. Er brachte auch einen Brief mit, den er Marian de Charetty aushändigte. Dieser war von ihrem Mann Nicholas, der ihr versicherte, daß alles gutgehe und Felix wohlbehalten bei ihm sei. Er fügte hinzu, es wäre wegen des von ihnen mitgeführten Geldes am besten, wenn Felix mit nach Italien komme und dann zusammen mit ihm heimkehre. Die Erfahrung könne Felix nur guttun. Dann folgten einige ausführliche Mitteilungen und überzeugende Vorschläge zu Handelsfragen. Die Grußworte, mit denen der Brief schloß, waren genau, wie sie sein sollten. Es war ein freundlicher Brief. Marian de Charetty las ihn und folgerte daraus, daß sich Felix ungehörig benahm und Nicholas sich auf diese Weise mit ihm auseinandersetzen wollte. Sie hatte keine Angst um Felix. Ihre Sorgen entstammten derselben Überlegung wie Tildes. Wenn Felix etwas in die Quere kam, konnte er anderen Menschen gefährlich werden.
Da Felix de Charetty bewußtlos am Ufer des Genfer Sees lag, vermochte er zu der Zeit, als der freundliche Brief an seine Mutter geschrieben wurde, niemandem gefährlich zu werden. Jetzt, in den darauf folgenden Tagen, ließ sich von ihm nur sagen, daß er für niemanden außer sich selbst eine Gefahr darstellte, wenn er versuchte, von dem Pferd loszukommen, auf dem er festgebunden war, oder es nach der einen oder anderen Seite aus der Kolonne hinauszutreiben, während sein Kopf noch entsetzlich schmerzte von dem Schlag, der ihn in Jaak de Fleurys Haus niedergestreckt hatte.
Wie Nicholas ihn aus dem Haus und aus Genf herausgebracht hatte, wußte er immer noch nicht. Die kostbare Geldkassette war jedoch in Nicholas’ Besitz. Die Bewaffneten rings um ihn waren alle von Nicholas angeheuert. Seine beiden eigenen Diener waren auch da, etwas leichter gefesselt als er, da sie vermutlich weniger Antrieb hatten zu fliehen, um sich dann ohne Geld nach Hause durchzuschlagen. Von dem Augenblick an, da er das Bewußtsein wiedererlangt hatte, festgezurrt auf dem Rücken eines fremden Pferdes, waren sie geritten, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre.
Natürlich hatte Jaak de Fleury ihnen seine Bewaffneten hinterhergeschickt, um ihn zu retten, oder hatte zumindest die Hilfe des erstbesten Offiziers des Herzogs von Savoyen erbeten. Jeden Moment würden sie eingeholt und angehalten werden.
Dazu kam es nicht. Welche List auch immer Nicholas angewandt hatte, kein rächender Reitertrupp folgte ihnen. Als sie auf den vor Müdigkeit taumelnden Pferden das Seeufer verließen und sich auf das ansteigende Gelände begaben, das zum Paß hinaufführte, begriff Felix, daß niemand ihm helfen würde. Wenn er die Kassette nach Hause bringen und das übrige Charetty-Geld finden wollte, um das er betrogen worden war, dann würde er sich selbst helfen müssen.
An jenem Abend fühlte sich sein neuer Feind offenbar so sicher, daß er es wagte, ein Zimmer in einem Gasthaus zu nehmen. Felix saß mit gefesselten Händen und zusammengebundenen Füßen auf einem am Zügel geführten Pferd und sah, daß die Bewaffneten vorausgeschickt wurden, um alles zu regeln.
Er hatte sich geweigert, sein Wort zu geben, daß er nicht fliehen würde. Er hatte sich geweigert, mit irgend jemandem zu sprechen. Als sie das erste Mal Rast machten, hatte er den Wein ausgespuckt, den Nicholas ihm anbot, und als sie ihm die Fesseln lösten, hatte er versucht, ihn zu würgen. Deshalb hatten sie nicht gewagt, ihn mit in ein Haus zu nehmen. Sie hatten stets abseits von der Straße im Freien gerastet und gegessen. Bis jetzt.
Er hatte sich gefragt, wie Nicholas verhindern wollte, daß er in einer Wirtschaft laut um Hilfe rief, aber es war ganz einfach: Man bugsierte ihn gefesselt, geknebelt und unter einem Umhang mit Kapuze versteckt ins Haus, als wäre er betrunken. Er roch Essensdüfte, Holzkohle und Bierschwaden und hörte ein Durcheinander von Sprachen, das Getrampel gestiefelter Füße und das Klappern von Holztellern und Humpen auf Tischen. Seine Füße stießen gegen Stufen, und noch ehe er dagegentreten konnte, ergriffen ihn kräftige Hände unter den Achseln und trugen ihn
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