Niccolòs Aufstieg
die Wappen an Dienern und Pferden waren aus jenem Palazzo bekannt, dessen Räume alle mit dem Ensemble aus Falken, Rauten und Helmzier geschmückt waren. Und mit dem Motto, das in die Pferdeschabracken eingewebt war. Semper stand für immer. Und immer stand für die Medici.
»Wir haben Besuch«, sagte Nicholas. »Wir könnten wieder gehen und warten, bis sie weg sind. Aber ich weiß nicht. Ich bin müde.«
Früher hatte man sich nie darum kümmern müssen, wie Claes sich gerade fühlte. Man hatte es gar nicht erfahren. Aber die Anstrengungen und das Fieber hatten seine rastlose Kraft erschöpft, und nun mußte er achtsam sein, wenn er dieses Reisetempo durchhalten wollte. Im Planen war Nicholas immer schon gut gewesen.
»Vielleicht warten sie auf jemand anderen«, meinte Julius, ohne es selbst zu glauben.
Loppe, der sein Talent, Gedanken zu lesen, nun nicht mehr Felix, sondern Nicholas angedeihen ließ, ging wortlos ins Haus und kam mit einer Grimasse und einem Bericht in seinem höfischen Italienisch wieder heraus. Nicht nur, daß die Besucher ihretwegen hier waren, sie saßen auch bereits in ihrem Privatraum, wo sie sie erwarteten. Der Wirt hatte gewußt, was den Signori Pigello und Accerito Portinari von der örtlichen Niederlassung des Hauses Medici angemessen war.
»Sie warten bestimmt nicht den ganzen Abend«, sagte Loppe. »Ich könnte Euch anderswo Unterkunft besorgen.«
Seine Worte waren an Nicholas gerichtet. Julius war schon vorher aufgefallen, daß er mit Nicholas häufig wie mit einem Gleichgestellten sprach und nicht wie der Sklave mit dem Ehemann seiner Herrin. Aber Nicholas bemerkte es gar nicht, sondern dachte nach und erwiderte dann: »Nein. Es ist besser, wir empfangen sie. Aber du brauchst nicht aufzubleiben,«
Loppe rührte sich nicht. »Wenn es für einen spät ist, ist es auch für drei spät. Die Signori Portinari könnten morgen wiederkommen.«
Diesmal sah Nicholas ihn an, zeigte aber weder Befremden noch Verärgerung. »Nein. Ich möchte früh aufbrechen.« Loppe fügte sich augenblicklich, sah seinen Herren nur nach, bis diese ins Haus traten und die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufstiegen.
Oben erwarteten sie ohne eine Spur von Ungeduld Pigello Portinari und sein Bruder und Stellvertreter Accerito. Messer Pigello trug ein kurzes Gewand aus leichtem Stoff mit tiefsitzendem Gürtel, der seinen Bauch kaschierte. Das glattrasierte, eingefallene Gesicht mit der langen Nase war an diesem Abend lebhaft gerötet. An seinem turbanartig geschlungenen Kopfputz trug er ein großes Schmuckstück mit einem viereckigen Smaragd in der Mitte und an den Fingern noch mehr Ringe, als Julius bei ihrem letzten Treffen an ihm gesehen hatte, damals, als er mit Astorre zum herzoglichen Schloß aufgebrochen war, um die condotta unter Dach und Fach zu bringen. Die leutselige Herablassung hatte sich zu beinahe reiner Liebenswürdigkeit gewandelt. Und auch Accerito, mit einer kleineren Brosche ausstaffiert, wirkte zufrieden.
Julius hätte gern gewußt, ob sich Messer Pigello an jenen Claes erinnerte, der Pierfrancescos Pferde überbracht hatte, und entsann sich dann, daß Felix erzählt hatte, er und Nicholas seien danach noch einmal mit Pigello zusammengetroffen. In nicht näher bezeichneten Geschäften. In diesen mysteriösen Geschäften vielleicht, für die Nicholas seine Mitarbeit wollte und über die er nichts mehr erfahren hatte? Jedenfalls begegneten die Brüder Portinari Nicholas nicht anders als ihm. Sie waren freundlich.
Sie waren freundlich, aber leicht verschnupft wie der Schatzmeister des Dauphin. Da das Haus Charetty der Medici-Bank die Abwicklung seiner Finanzgeschäfte anvertraut habe, hätten Messer Niccolò und sein Rechtskonsulent vielleicht so freundlich sein können, sich nach ihrer Ankunft in Mailand zu melden. Messer Niccolò habe doch zweifellos von der Schließung des Unternehmens de Fleury gehört?
Sogleich fühlte sich Julius besser, trotz ihres Irrtums hinsichtlich Nicholas’ Stand. Messer! Doch nein, wie konnte er das nur ständig vergessen! Diese alberne Heirat. Nun, er war trotzdem froh, daß er sich nicht vor der Begegnung gedrückt hatte. Er dachte daran, Nicholas ein paar Erfrischungen holen zu lassen, bis ihm mit einem neuerlichen Anflug von Gereiztheit einfiel, daß das seine Aufgabe war. Als er sich entschuldigte, sah Nicholas sich kaum um, geschweige denn, daß er ihn aufgehalten hätte.
Julius beeilte sich. Er wollte unbedingt wissen, wie schwer es die de Fleurys
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