Niccolòs Aufstieg
um Nahrung und heißes Wasser bitte? Ich habe, wie Ihr Euch denken könnt, einen weiten Weg hinter mir.«
Marian stand auf. »Ich kenne einen Gasthof, der Euch zufriedenstellen wird und Nahrung und heißes Wasser bieten kann. Es tut mir leid, daß Ihr Euer Geschäft verloren habt, aber erwartet von mir keine Hilfe. Ihr habt einen Bruder in Burgund. Ich schlage vor, Ihr wendet Euch an ihn.«
Er blieb lächelnd sitzen. »Aber Thibault hat auch kein Geld, meine Liebe. Und eine wilde Tochter, für die er sorgen muß. Nein. Wenn ich mir mein Geld schon neu verdienen muß, dann nur in Brügge, Und wenn Ihr mir nicht helft, muß ich mich eben an eine andere Stelle wenden. Etwa an die Färberzunft. Die Leute haben Euch nach dem Brand unter die Arme gegriffen, wie ich höre. Vielleicht besorgen sie auch mir einen Kredit. Ich hoffe nur, sie schrecken nicht zurück, wenn sie hören, wie ihr Gold in der Tasche des Taugenichts, den Ihr geheiratet habt, außer Landes gewandert ist. Bis zu dem Moment, als er die Beweise sah, wollte Euer Sohn es nicht glauben. Er protestierte tapfer. Selbst noch, als er zu Boden ging. Die Färber von Brügge werden stolz auf ihn sein, wenn auch Euren Kunden vielleicht nicht ganz wohl sein wird.« Jaak de Fleury schüttelte bekümmert den Kopf. »Nach einem so vernichtenden Brand und einem solchen Betrug ist das öffentliche Vertrauen in das Haus Charetty gewiß stark erschüttert und Anleger werden schwer zu finden sein. Ihr tätet gut daran, mich zum Teilhaber zu machen. Ihr werdet daran verdienen. Und kein übles Gerede wird Eure Freunde und Euer Geschäft in Unsicherheit stürzen.«
Sie starrte ihn an.
»Es fällt Euch immer noch schwer, mir zu glauben?« fragte er. »Nehmt Euch eine Stunde Zeit, Fragt meine Leute alles, was Ihr wollt. Ich bin hier, wenn Ihr zurückkommt. Vielleicht könntet Ihr, wenn Ihr geht, doch so gut sein, aus der Küche heißes Wasser und etwas zu essen schicken zu lassen, wie ich das schon vorgeschlagen habe? Und etwas flott, wenn ich bitten darf. Eure Dienstboten machen keinen besseren Eindruck als Euer kleiner Betrieb.«
»Ich werde nicht nur Eure Leute befragen«, versetzte sie, »ich werde mit meinem Rechtskonsulenten sprechen. Und wenn ich nachher zurückkomme, bringe ich ein paar Männer mit. Bleibt also ruhig ein Stündchen hier sitzen. Ich lasse Euch einen Imbiß bringen. Die vertraulichen Bücher meines Unternehmens nehme ich mit, wenn Ihr nichts dagegen habt. Und merkt Euch eins: Alle Drohungen, mit denen Ihr glaubt, mich unter Druck setzen zu können, werden sich in Luft auflösen, sobald mein Sohn und mein Mann durch diese Tür treten.«
»Aber sie kommen ja nicht zurück, Madame. Der eine ist im Krieg und der andere hat Geld unter die Leute zu bringen. Euer Nicholas wird es nicht wagen, zurückzukommen und mir bei allem, was er mir schuldet, gegenüberzutreten. Meine Bücher sind verbrannt, aber wer wird seinem Wort glauben, wenn es gegen meins steht? Entscheidet Euch. Ihr seid ohne Erben und ohne Ehemann, da müßt Ihr achtgeben. Wenn auch die Natur den ersteren Euch jetzt nicht mehr schenken kann, so ist doch wenigstens der letztere zur Stelle.«
Erst da erkannte sie, was er vorhatte, und ihre Hand, die auf der Rückenlehne des Sessels lag, packte fester zu. »Und Eure Frau?« fragte sie. »Esota?«
»Sie haben sie getötet. Ich glaube, Euer Mann war schon fort, als es geschah, sie starb also nicht von seiner Hand. Aber sie hätte die Reise sowieso nicht überstanden. Sie hatte ja so viel Gepäck zu tragen, die Arme.«
Er lächelte, als sie ging. Unten suchte sie Gregorio, und gemeinsam befragten sie die Männer aus Genf. Sie bestätigten, wie erwartet, was Jaak de Fleury berichtet hatte. Und sie bestätigten es, was sie nicht erwartet hatte, mit zorniger Erbitterung und allem Anschein von Aufrichtigkeit. Als sie am Ende der Befragung mit Gregorio in ihr Wohnzimmer ging, zitterte sie.
»Werft ihn hinaus«, sagte Gregorio.
»Ich habe Euch gesagt, was er dann herumerzählen wird. Und diese Männer haben Felix gesehen und schwören, daß Nicholas ihn niedergeschlagen hat. Glaubt Ihr denn, sie lügen?«
»Nein«, antwortete Gregorio. »Aber er kann Felix ja auch in guter statt in böser Absicht zum Schweigen gebracht haben.«
Zum ersten Mal war da ihre Furcht gestillt. Sie sah Gregorio einen Moment lang schweigend an, dann sagte sie: »Laßt es mich ganz klar sagen. Niemand auf der ganzen Welt, am wenigsten Jaak de Fleury, kann mein Vertrauen in
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