Niccolòs Aufstieg
Cristoffels, Henning und Lippin konnte sie sich verlassen. Alle halfen, um das Geschäft so wiederaufzubauen und umzugestalten, wie sie es unmittelbar nach dem Brand geplant hatten.
Anfangs war es zum Verzweifeln schwer gewesen. Aber in den ersten Julitagen war Tommaso Portinari gekommen und hatte ihr Nachricht gebracht, schlechte und gute. Den Brief, aus dem sie erfuhr, daß Felix und Nicholas nach Italien in den Krieg gezogen und für sie nun unerreichbar waren. Und das Päckchen mit den auf die Medici-Bank gezogenen Wechseln über Beträge, mit denen sie nicht im Traum gerechnet hatte. Das Geld für die condotta, für die zusätzlichen Söldner, die so geschickt zu geringen Kosten angeworben und bewaffnet worden waren. Und, kaum zu glauben, Gelder, die das Unternehmen de Fleury dem Haus Charetty schuldete. Irgendwie hatte Nicholas eine Abrechnung durchgesetzt und die Medici-Leute dazu bewegt, die von de Fleury geschuldeten Beträge auszuzahlen. Das reinste Wunder! Den Besucher, der später zu ihr gekommen war, hatte sie nicht gleich einordnen können, weil sie mit der venezianischen Kaufmannsfamilie Bembo noch nie zu tun gehabt hatte. Erst als sie mit dem Mann allein in ihrem Arbeitszimmer war, zog der das Schriftstück aus der Tasche, das ihr die Augen öffnete.
Als er gegangen war, rief sie Gregorio herein und zeigte ihm, was Felix und Nicholas geschickt hatten. Neben ihren Unterschriften trug das Dokument die Unterschriften genuesischer und venezianischer Kaufleute, die sie nicht kannte. Die Summe, auf die es ausgestellt war, reichte aus, um alle Schulden zu begleichen. Die Summen, die es verhieß, würden sie reich machen.
Sie wurde sich bewußt, daß sie die Unterschriften lange angestarrt hatte. Die von Nicholas schwarz und kräftig und klar, weil er das Schreiben schon sehr früh gelernt und später bei Colard den letzten Schliff bekommen hatte. Die von Felix nur Gekrakel, weil er nie hatte lernen wollen. Aber seine Unterschrift auf dem Papier bewies, daß er nun doch zu lernen anfing.
»Das Alaungeschäft ist offenbar abgeschlossen«, sagte sie. »Selbst wenn morgen jemand das Lager auf päpstlichem Gebiet entdeckt, haben wir das hier.«
Gregorio hatte Abstand zu ihr gewahrt, seit sie Felix’ Reiseziel kannte. Er war ein feinfühliger Mensch. »Es ist gut«, sagte er jetzt, »daß der Jongeheer anfängt, sich fürs Geschäft zu interessieren. Und eigentlich wundert es mich nicht, daß er nach Neapel wollte und Nicholas ihn hat ziehen lassen. Jeder junge Mann muß seine Erfahrungen auf dem Schlachtfeld machen, und in diesem Fall ist ja nicht viel gewagt. Sie können sich keine großen Kämpfe leisten. Und bald rücken die Heere wieder ins Winterlager.«
Sie sagte sich das gleiche zur Beruhigung. Und sie konnte auch verstehen, warum Nicholas den Doktor Tobias suchen wollte. Ohne Tobias, hatte er geschrieben, gäbe es kein Alaungeschäft. Er hoffe, ihn zurückzuholen und vielleicht auch Julius.
Tobias. Sie schienen sich gut zu verstehen. In den Werkstätten und in ihrem Haus hatte man sich jetzt daran gewöhnt, Claes Nicholas zu nennen. Einen Titel gaben die Leute ihm nicht, weil er auf das »Meester« des studierten Mannes sowenig Anspruch hatte wie auf das »Ser« des Höhergeborenen. Es störte sie nicht. Er würde es auch ohne fragwürdigen Titel schwer genug haben, sich in den verschiedenen Kreisen zu bewegen.
Ihr fiel auf, daß die Leute, die Gregorio nahestanden, ihn jetzt Goro riefen. In drei Monaten der Zusammenarbeit hatte er viel gelernt. Es gab keinerlei Störungen mehr bei der Arbeit. Die Spitznamen, die sich die Leute für Bellobras ausdachten, überhörte sie einfach. Sie selbst konnte, von der Last finanzieller Sorgen befreit, wieder lachen und unter Menschen gehen und unternahm manchmal mit Tilde und Catherine Ausflüge in andere Städte, wo sie Freunde besuchten und Marian versuchte, ihren Töchtern kleine Abenteuer zu bieten, die ihnen Freude machten.
Die Mädchen wurde jetzt auch schon allein eingeladen, und jemand nahm Tilde zu einem Segelausflug im Familienkreis draußen vor dem Hafen mit. Hin und wieder beschwerten Gedanken an ihren Sohn und Nicholas sie. Im August kam neue Nachricht. Südlich von Neapel hatte eine Schlacht mit schweren Verlusten stattgefunden. Einen ganzen Tag lang konnte sie an nichts anderes denken. Dann kamen ihr auf Umwegen Einzelheiten zu Ohren. Den Charetty-Söldnern unter Astorre ging es gut. Die Truppe war nach Norden gezogen, um sich dem Grafen von
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