Niccolòs Aufstieg
gleiche Länge gestutzt wurden und als Bauernspieße dienen sollten.
Es war nicht die Art Kampf, bei der man Wetten abschließt, doch gut genug, um einen Nachmittag totzuschlagen, eben das, was Söldner gewohnt waren. Lionetto war nicht sonderlich an dem Schotten interessiert, der sich seiner Ansicht nach zuviel auf sein gutes Aussehen einbildete, zumal er jetzt, bis auf Hosen, Unterwams und dünnes Seidenhemd seiner Kleidung entledigt, eine bessere Figur machte als er selbst.
Jedenfalls stand außer Zweifel, daß er, Lionetto, einen besseren Kämpfer hatte als das Schwein Astorre, dessen Mann dieser farbenklecksende Handwerker war, dem die Zehen unter den Fußlappen hervorlugten. Der Bursche bestand nur aus Augen. Er erinnerte an eine Eule auf einem Baum, unter dem fünf Bogenschützen standen.
Jemand brüllte: »Auf gehts!«, und ohne große Umstände stürzten sie los. Ihre Waffen waren sechs Fuß lang. Und schwer. Der Schotte lächelte amüsiert.
Dazu hatte er allen Grund. Zwar war er nicht im Vorteil, was die Reichweite seines Arms und seine Größe betraf, zudem war er schmächtiger, doch er verfügte über die Fertigkeiten des geübten Kämpfers, und die gingen dem Lehrling ab. Es war wie damals am Kanal. Der eine hielt sich wie ein geübter Fechter, der andere wie ein Bauer. Claes mochte seine kräftigen Arme noch so weit ausbreiten - noch ehe er mit dem Spieß richtig ausholte, hatte der andere schon seine Deckung unterlaufen und hieb ihm auf den Schenkel oder ließ das harte Holz auf Schulter oder Ellbogen niedersausen.
Vor allem auf die Arme, mit denen Claes den Spieß führte, hatte der Schotte es abgesehen, auf sie und auf die schwieligen, blau verfärbten Hände.
Lord Simon, wohlgenährt und geübt, kämpfte kraftvoll wie ein Löwe. Unter dem feinen Stoff hoben und senkten sich seine Schulter- und Rückenmuskeln. Unter den locker aufgerollten Ärmeln kamen die Unterarme eines Fechters zum Vorschein, und zwischen den Garnrippen seiner Hosen zeichneten sich die Umrisse fester Schenkel und Waden ab. Die Ledersohlen seiner Strümpfe gaben ihm auf dem unebenen Kopfsteinpflaster Halt, wenn er hin und her und seitwärts tänzelte, mit beiden Händen ausholte und den vibrierenden Spieß auf den seines Gegners prallen ließ, wenn auch nicht so fest, daß er ihn diesem aus der kräftigen Hand geschlagen hätte.
Er ließ sich Zeit. Julius, der selbst schon ein Schwert geführt hatte, war schmerzlich bewußt, daß Simon jeden Hieb des Lehrlings voraussah. Gemächlich, lächelnd, ja sogar scharfe Worte einwerfend, beobachtete er den Burschen mit geübtem Blick, vermerkte noch die geringste Änderung in Claes’ Atmung, seiner Beinarbeit, seinen Schultern, seinen glänzenden Augen.
Wenn Claes ausholte oder drauflosschlug, schob Simon mit seinem Spieß den des anderen beiseite und hieb nach Gutdünken auf ihn ein. Auf die Gelenke. Auf die Fingerknöchel. Einmal mitten auf die Brust, so daß seinem Gegner einen Augenblick lang der Atem stockte. Ein andermal streifte er Claes’ Schläfe; der taumelte rückwärts, und mehr unbewußt gelang es ihm, dem schnellen Schlag auszuweichen, der ihn außer Gefecht setzen sollte.
Er hatte einen harten Schädel, das mußte man ihm lassen. Als er sich aufrichtete, war er wieder bei Sinnen. Und nun sah man, daß er etwas gelernt hatte. Er verließ sich nicht mehr aufs Dreinkeilen nach Schuljungenart, aufs Tänzeln wie beim Federballspiel, sondern versuchte jetzt ebenfalls, seinen Gegner zu beobachten, seine nächsten Hiebe vorauszusehen.
Gelegentlich gelang es ihm. Zweimal war Simon unachtsam, und Claes traf ihn mit seinem schweren Spieß. Einmal an der Schulter, ein andermal am Handgelenk; bei diesem Schlag schnaufte der Edelmann tief und schwenkte aus der Reichweite des anderen, bis er wieder genügend Kraft hatte, um seine Waffe zu umklammern.
Ein Mann mit Erfahrung hätte ihm keine Zeit gelassen, wieder zu sich zu kommen, doch Claes war weder ein geübter Fechter, noch brachte er genügend Tatkraft auf. Statt dessen stand er nur da, schüttelte sich und betrachtete, so schien es Julius, seine Muskeln, wie ein General seine Truppen mustert und erneut anfeuert. Allerdings ließ er Simon nicht aus den Augen, und als dieser auf ihn zustürzte, kam er ihm zum ersten Mal zuvor. Ihre Schlagstöcke prallten aufeinander und fielen zu Boden.
Danach war Simon auf der Hut. Doch was immer Claes auch gelernt haben mochte, es reichte nicht, um ihn vor den unablässig
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